Leitsatz
Geschiedene Eheleute stritten sich um den Ehegattenunterhalt. Während des Getrenntlebens war auf Antrag der Ehefrau eine einstweilige Anordnung gem. § 644 ZPO ergangen, mit der dem Ehemann aufgegeben wurde, Trennungsunterhalt i.H.v. 2.280,00 DM monatlich zu zahlen. In dem selben Verfahren schlossen die Parteien später einen Vergleich, in dem sie sich über die Höhe des zu zahlenden Unterhalts einigten. Ein Jahr später - im März 2001 - wurde die Ehe geschieden. Die Ehefrau betrieb fortlaufend auch nach Rechtskraft der Scheidung gegen den Ehemann die Zwangsvollstreckung aus dem geschlossenen Vergleich. Der Ehemann wandte sich hiergegen und beantragte Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung.
Sachverhalt
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Nach der Trennung hatte die Ehefrau Klage auf Trennungsunterhalt erhoben und den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 644 ZPO beantragt. Durch Beschluss vom 20.7.1999 wurde der Ehemann verpflichtet, monatlichen "Trennungsunterhalt" von 2.280,00 DM zu zahlen. In dem selben Verfahren schlossen die Parteien sodann am 20.6.2000 einen "Vergleich zur einstweiligen Anordnung", durch den sich der Ehemann verpflichtete, in Abänderung der einstweiligen Anordnung ab Juli 2000 an die Ehefrau monatlichen Unterhalt i.H.v. 1.233,00 DM zu zahlen. Über die Klage auf Zahlung von Trennungsunterhalt wurde nicht entschieden. Im Rahmen des Scheidungsverfahrens wurden Unterhaltsfragen nicht thematisiert. Die Ehe wurde durch Urteil vom 6.3.2001 geschieden. Mit Schriftsatz aus dem Monat September 2001 erweiterte die Ehefrau in dem im Jahre 1999 begonnenen Verfahren auf Zahlung von Trennungsunterhalt ihre Klage auf nachehelichen Unterhalt. Gleichzeitig setzte sie die Zwangsvollstreckung aus dem im Anordnungsverfahren geschlossenen Vergleich fort. Hiergegen wandte sich der Ehemann im März 2005 mit der Vollstreckungsgegenklage und dem Antrag, die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem im Anordnungsverfahren geschlossenen Vergleich festzustellen. Er begründete dies damit, dieser Vergleich regele nur den Trennungsunterhalts, dieser sei mit Rechtskraft der Scheidung erloschen.
Das FamG hat die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Ehemann Berufung eingelegt, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt und darüber hinaus beantragt, die Vollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 20.6.2000 einstweilen einzustellen.
Entscheidung
Das OLG gab dem Einstellungsantrag des Ehemannes statt.
Der von den Parteien im Rahmen des einstweiligen Anordnungsverfahrens nach § 644 ZPO geschlossene Vergleich kann mit der Zwangsvollstreckungsgegenklage angegriffen werden, da der Kläger geltend macht, der titulierte Anspruch sei durch Ehescheidung erloschen (Musielak/Borth, ZPO, 4. Aufl., § 644 Rz. 3; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 644 Rz 12b; Kathoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rz. 252). Anderes gelte nur für eine einstweilige Anordnung nach § 620 Nr. 6 ZPO, die gem. § 620a Abs. 2 ZPO im Rahmen eines Ehescheidungsverfahrens beantragt und auch erlassen werden kann. Sie wirke über die Rechtskraft der Scheidung hinaus, da für sie, anders als bei § 644 ZPO keine identische Hauptsacheklage erforderlich sei.
Zum Zeitpunkt des Erlasses der einstweiligen Anordnung durch das FamG war ebenso wie zu dem Zeitpunkt, zu dem die Parteien diese Anordnung durch gerichtlichen Vergleich einverständlich abgeändert haben, kein Verfahren auf nachehelichen Unterhalt anhängig oder ein auf die Durchsetzung eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs gerichteter Prozesskostenhilfeantrag gestellt. Regelungsgegenstand der einstweiligen Anordnung und des Vergleichs war damit nur der Trennungsunterhalt. Der der einstweiligen Anordnung und dem Vergleich zugrunde liegende materielle Anspruch auf Trennungsunterhalt ist mangels Identität mit dem nachehelichen Unterhalt mit Rechtskraft des Scheidungsurteils erloschen. Ein Austausch der Anspruchsgrundlage tritt nicht ein.
Es kann nach Auffassung des OLG auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien sich bei Abschluss des Vergleichs auch über den nachehelichen Unterhalt einigen wollten. Zwar war das Scheidungsverfahren bereits anhängig, ein nachehelicher Unterhaltsanspruch aber noch nicht geltend gemacht.
Hinweis
Vergleiche zum Trennungsunterhalt im einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 620 Nr. 6 ZPO oder § 644 ZPO sollten im Interesse und zum Schutz des Unterhaltsschuldners ausdrücklich eine zeitliche Begrenzung spätestens auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung enthalten. Sollte aus diesem Titel über diesen Zeitpunkt hinaus vollstreckt werden, kann hiergegen mit der Vollstreckungserinnerung gem. § 766 ZPO oder der Vollstreckungsgegenklage vorgegangen werden.
Link zur Entscheidung
OLG Bremen, Beschluss vom 21.11.2005, 5 UF 75/05