Zusammenfassung
Vollzeitpflege ist die Unterbringung, Betreuung und Erziehung eines Kindes oder Jugendlichen über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses in einer anderen Familie (Pflegefamilie). Dies ist jede Familie, die nicht Herkunftsfamilie ist. Dies kann aber auch bei anderen Verwandten, z. B. den Großeltern, erfolgen, aber auch in der Familie des Vormunds oder Pflegers. Dabei kann sie zeitlich befristet oder auf Dauer angelegt sein.
Vollzeitpflege kommt u. a. in Betracht, wenn die Eltern wegen Krankheit, Tod, einer Krise in der Partnerschaft, einer wirtschaftlichen Notlage, Gewalt gegen Kinder oder einer eigenen Schul- oder Berufsausbildung die Erziehungsverantwortung für ihr Kind nicht übernehmen können. Vollzeitpflege ist eine Leistung der Hilfe zur Erziehung.
Sozialversicherung: Rechtsgrundlage für die Vollzeitpflege sind die §§ 27 und 33 Satz 1 SGB VIII. Die Vollzeitpflege für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche regelt § 33 Satz 2 SGB VIII; sie kommt auch als Eingliederungshilfe für Kinder mit seelischen Behinderungen nach § 35a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB VIII und § 99 SGB IX in Betracht. Nach § 42 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII ist die Vollzeitpflege im Rahmen der Inobhutnahme und zur Versorgung in Notsituationen gemäß § 20 SGB VIII möglich. Die Adoptionspflege ist keine Vollzeitpflege, weil sie ein anderes Ziel hat als diese; sie ist in § 9 AdVermiG geregelt.
Das KJSG hat in § 37 und § 37c SGB VIII die Beratung und Unterstützung der Pflegefamilie ausdrücklich geregelt.
Die Pflegeperson bedarf einer Pflegeerlaubnis nach § 44 SGB VIII, wenn sie nicht im Rahmen einer Hilfe zur Erziehung vermittelt worden ist. Unter den Voraussetzungen des § 36a SGB VIII kann sie vom Leistungsberechtigten auch selbst beschafft werden. Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn das Wohl des Kindes gefährdet ist. Das Jugendamt hat dies an Ort und Stelle zu kontrollieren.
Bei mehreren Kindern in einer Großpflegestelle ist eine Abgrenzung zu einer Einrichtung nach § 45 SGB VIII erforderlich. Der Einrichtungsbegriff ist mit dem KJSG in § 45a SGB VIII eingefügt worden. Bei einer familienähnlichen Betreuungsform handelt es sich um eine Großpflegestelle.
1 Hilfe zur Erziehung
1.1 Anspruchsvoraussetzungen
Die Personensorgeberechtigten haben einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege, wenn die
- allgemeinen Voraussetzungen für die Hilfe zur Erziehung nach § 27 Abs. 1 SGB VIII vorliegen und
- Vollzeitpflege im Hinblick auf die Kindesentwicklung geeignet und erforderlich ist.
Generell liegt ein entsprechender Bedarf vor, wenn
- Eltern wichtige Versorgungs- und Erziehungsfunktionen nicht wahrnehmen und
- die betroffenen Kinder nicht mehr über Familien unterstützende Hilfen erreicht werden können.
1.2 Kostenübernahme durch Jugendamt
Das Jugendamt übernimmt bei der Vollzeitpflege die Kosten für den angemessenen Unterhalt des Kindes. Es wird ein monatliches Pflegegeld gezahlt. Dieses enthält auch einen Betrag für die Erziehungsleistung der Pflegeperson. Die Pflegegeldhöhe wird nicht durch ein Bundesgesetz festgelegt. Vielmehr bestimmen die einzelnen Jugendämter die Höhe.
2 Eingliederungshilfe für Kinder mit seelischen Behinderungen/Jugendliche. Inobhutnahme
Neben der klassischen Vollzeitpflege als Hilfe zur Erziehung gibt es Vollzeitpflege für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche als Form der Eingliederungshilfe für Kinder mit seelischen Behinderungen und Jugendliche. Zudem wird sie im Rahmen der Inobhutnahme sowie der Betreuung und Versorgung in Notsituationen geleistet.
3 Arten
Die Vollzeitpflege kann sowohl als zeitlich befristete Hilfe als auch eine auf Dauer angelegte Lebensform für Kinder und Jugendliche sein.
3.1 Befristete Vollzeitpflege
Kinder und Jugendliche werden in einer befristeten Vollzeitpflegestelle untergebracht, wenn
- in ihrer Herkunftsfamilie eine vorübergehende Notsituation besteht und
- zwischen ihnen und ihrer Herkunftsfamilie noch eine Bindung existiert bzw. unter Berücksichtigung ihres Alters und Entwicklungsstandes aufrechterhalten werden kann.
Es gibt 3 Arten der befristeten Betreuung:
3.1.1 Kurzzeitige Vollzeitpflege
Kann der Personensorgeberechtigte wegen eines kurzfristigen Ausfalls, z. B. Krankheit oder Unfall, seine Kinder nicht versorgen, kommt die kurzzeitige Vollzeitpflege in Betracht.
3.1.2 Interims-Vollzeitpflege
Die Interims-Vollzeitpflege ist geeignet, wenn die Rückführung oder Verselbstständigung des Kindes oder Jugendlichen nach Ablauf eines befristeten Zeitraums (durchschnittlich 2 Jahre) in der Herkunftsfamilie denkbar ist.
Sie kommt z. B. infrage, wenn die Personensorgeberechtigten ihr Kind wegen Überforderung ungenügend versorgen oder betreuen.
3.1.3 Familiäre Bereitschaftsbetreuung
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