Die Aussetzung der Vollziehung (AdV) setzt Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts voraus. Vollziehbare Verwaltungsakte sind vor allem im Festsetzungs- und Feststellungsverfahren Steuerbescheide, die auf Zahlung der Steuer gerichtet sind, im Erhebungsverfahren Abrechnungsbescheide[1] oder die Rücknahme eines Erlasses[2] und im Vollstreckungsverfahren Pfändung beweglicher Sachen und Forderungen oder Arrestanordnung.[3] Im Falle der Ablehnung einer Anrufungsauskunft nach § 42e EStG kommt eine Aussetzung der Vollziehung nicht in Betracht, da es sich nicht um einen vollziehbaren Verwaltungsakt handelt. Das Gleiche gilt bei einer Aufhebung oder Änderung einer Anrufungsauskunft.[4]

Im Regelfall erfolgt die Aussetzung der Vollziehung auf Antrag des Steuerpflichtigen. Der Antrag ist weder form- noch fristgebunden und kann bis zur Unanfechtbarkeit der Einspruchsentscheidung gestellt werden.

Eine Aussetzung der Vollziehung[5] setzt aber immer die vorherige Einlegung eines zulässigen Einspruchs[6] des betroffenen Steuerpflichtigen[7] voraus. Eine Aussetzung bei einem bloßen Antrag auf schlichte Änderung[8] kommt nicht in Betracht. Auch bei Steuerbescheiden, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung[9] ergangen und daher jederzeit änderbar sind, kann trotzdem nur bei Einlegung eines Einspruchs eine Aussetzung der Vollziehung erreicht werden. Die Finanzämter sollen über Anträge auf Aussetzung der Vollziehung unverzüglich entscheiden. Bis zur Entscheidung sollen Vollstreckungsmaßnahmen unterbleiben, es sei denn, der Antrag ist aussichtslos, bezweckt offensichtlich nur ein Hinausschieben der Vollstreckung oder es besteht Gefahr im Verzug. Das AdV-Verfahren ist ein summarisches Verfahren. Die Begründetheit des Rechtsbehelfs (Erfolgsaussichten) ist im Rahmen dieses Verfahrens daher nur in einem begrenzten Umfang zu prüfen. Bei der Prüfung sind nicht präsente Beweismittel ausgeschlossen. Die Sachentscheidungsvoraussetzungen für die Vollziehungsaussetzung (z. B. Anhängigkeit eines förmlichen Rechtsbehelfs, Zuständigkeit des Finanzamts) sind eingehend zu prüfen.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung kann auch beim zuständigen Finanzgericht gestellt werden[10], wenn zuvor das Finanzamt einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder teilweise abgelehnt hat oder die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder eine Vollstreckung droht.[11]

Anträge auf Aussetzung der Vollziehung sind Eilsachen.[12] Im Hinblick auf die Folgen für die Vollstreckung und die Erhebung der anfallenden Säumniszuschläge ist über Aussetzungsanträge auch dann unverzüglich zu entscheiden, wenn der Steuerbürger den Einspruch zunächst nicht oder nur teilweise begründet. Es ist deshalb davon abzusehen, die Entscheidung über einen Aussetzungsantrag bis zur Vorlage der in Aussicht gestellten Einspruchsbegründung zurückzustellen.[13]

[4] BMF, Schreiben v. 12.12.2017, IV C 5- S 2388/14/10001, BStBl 2017 I S. 1656; BFH, Urteil v. 2.9.2021, VI R 19/19, BFH/NV 2022 S. 154: Aufhebung einer Anrufungsauskunft gem. § 42e EStG.
[10] § 69 Abs. 3 FGO; FG Hamburg, Beschluss v. 11.4.2014, 4 V 153/13; z. B. BFH, Beschluss v. 26.9.2023. XI B 9/22 (AdV), BFH/NV 2022 S. 1417.
[12] AEAO zu § 361 AO Nr. 3.
[13] OFD Karlsruhe, Verfügung betr. AdV v. 18.3.2022, S 0623 Karte 1; FM NRW Erlass betr. Bearbeitungsgrundsätze zur Aussetzung der Vollziehung v. 31.12.2022, S 0623 AO-Kartei NW § 361 AO Karte 801.

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