Leitsatz
Die Ehefrau, eine türkische Staatsangehörige, begehrte nach rechtskräftiger Ehescheidung Prozesskostenhilfe für ein Verfahren erster Instanz, um ihren geschiedenen Ehemann - ebenfalls türkischer Staatsangehöriger - auf Zahlung nachehelichen Unterhalts in Anspruch zu nehmen. Das Scheidungsverfahren war vor einem türkischen Gericht unter Anwendung des gemeinsamen Heimatrechts durchgeführt worden. Eine ausdrückliche Verschuldensfeststellung war in dem Urteil nicht enthalten.
Erstinstanzlich war ihr Prozesskostenhilfe wegen Fehlen der Erfolgsaussicht für ihr Klagebegehren nicht bewilligt worden.
Hiergegen legte die Ehefrau sofortige Beschwerde ein. Ihr Rechtsmittel hatte Erfolg.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG hielt für den nachehelichen Unterhaltsanspruch der Ehefrau das türkische Recht für maßgebend. Danach könne nach Art. 175 des türk. ZGB n.F. der Ehegatte, der durch die Scheidung bedürftig werde und den kein höheres Verschulden treffe, von dem anderen Ehegatten nach dessen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit für seine Lebensführung unbefristet Unterhalt verlangen; auf ein Verschulden des Unterhaltspflichtigen komme es nicht an.
Der nacheheliche Unterhaltsanspruch (Bedürftigkeitsunterhalt) stehe mithin unter dem Vorbehalt des nicht überwiegenden Verschuldens des Unterhaltsberechtigten an der Ehescheidung. Nach der Rechtsprechung des türkischen Kassationshofes müsse insofern das konkrete Umfeld der Beteiligten berücksichtigt werden (vgl. Rumpf/Odendahl in Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Stand: 30.6.2003, Abschn. Türkei S. 39 f.).
Es könne dahinstehen, ob eine dementsprechende Feststellung im rechtskräftigen Scheidungsurteil auch im Unterhaltsverfahren als bindend zugrunde zu legen sei, da der türkische Scheidungsausspruch entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts keine Feststellungen zu einem überwiegenden Verschulden der Ehefrau enthalte.
Soweit der im Scheidungsverfahren antragstellende Ehemann zur Begründung der Zerrüttung der ehelichen Lebensgemeinschaft der Ehefrau bestimmte Verhaltensweisen vorgeworfen habe, erkläre sich dies aus dem türkischen Scheidungsverfahren. Sein Vortrag beruhe darauf, dass dem scheidungswilligen Antragsteller nach türkischem Recht kein Klagerecht zustehe, wenn er nicht wenigstens ein geringes Verschulden des anderen Ehepartner an der Zerrüttung vortrage und beweisen können. Eine den Unterhaltsanspruch ausschließende Verschuldensfeststellung sei damit nicht verbunden.
Link zur Entscheidung
OLG Koblenz, Beschluss vom 02.10.2006, 11 WF 446/06