Leitsatz

Der Untreuetatbestand ist nicht nur dann verwirklicht, wenn bereits ein Vermögensschaden eingetreten ist. Es genügt auch eine bloße schadensgleiche Vermögensgefährdung. Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt mit der Tatbeendigung, also mit der Realisierung dieser Gefährdung. Entsteht der Vermögensnachteil erst durch verschiedene Ereignisse, ist der Zeitpunkt des letzten Ereignisses als Tatbeendigung anzusehen.

 

Sachverhalt

Der Angeklagte war fast zwei Jahrzehnte Bürgermeister einer Gemeinde. Im Rahmen dieser Tätigkeit vermittelte er zahlreiche Grundstücksgeschäfte, bei denen er verkaufswillige Eigentümer unmittelbar an einen gewerblichen Aufkäufer, die S-GmbH, verwies. Der Gemeinde, die diese Grundstücke ihrerseits von der S-GmbH zu Preisen erwarb, die erheblich über den Einkaufspreisen lagen, entgingen hierdurch günstige und gewinnversprechende eigene Einkäufe. Den Geschäften lag ein Rahmenvertrag zugrunde, der zwischen der Gemeinde und der S-GmbH bereits im Jahre 1991 geschlossen worden war. Das LG hat den Angeklagten vom Vorwurf der Untreue freigesprochen, weil die Tat verjährt sei. Diese Entscheidung wurde vom BGH aufgehoben.

 

Entscheidung

Ein Bürgermeister ist gegenüber der Gemeinde, der er vorsteht, treuepflichtig im Sinne des § 266 StGB. Er darf im Rahmen dieser Vermögensbetreuungspflicht einen vorteilhaften Vertragsabschluss nicht vereiteln oder unberücksichtigt lassen. Insbesondere handelt er tatbestandsmäßig, wenn durch sein Vorgehen aus dem Vermögen der Gemeinde ein Dritter Beträge erlangt, die diese sonst erspart hätte, weil sie selbst vorteilhafte Verträge hätte schließen können. Dies gilt selbst dann, wenn die höhere Gegenleistung immer noch dem Erlangten adäquat gegenübersteht, d.h. der (erhöhte) Grundstückskaufpreis durchaus dem Wert der betroffenen Grundstücke entspricht. Denn bei "richtiger" Sachbehandlung wären der Gemeinde wesentlich geringere Aufwendungen entstanden. Der BGH sieht bereits im Abschluss der Rahmenvereinbarung die Verwirklichung des Straftatbestands. Zwar verfügte der Angeklagte hier noch nicht über konkrete Vermögenswerte der Gemeinde. Auf der Basis dieses Vertrags wurden später aber einzelne Grundstücksgeschäfte abgewickelt. Damit war bereits die Grundlage für eine Vermögensschädigung geschaffen, die sich erst später, bei Abwicklung der einzelnen Grundstückskaufverträge mit der S-GmbH in Zahlen auswirkt hat.

 

Praxishinweis

Die Entscheidung führt zu einer erheblichen Ausweitung strafrechtlicher Gefahren, die allen vermögensbetreuungspflichtigen Personen drohen können, z.B. auch Geschäftsführern einer GmbH. Solche Gesellschaftsorgane müssen stets die wirtschaftlichen Interessen der von ihnen vertretenen juristischen Personen im Auge haben. Handeln sie dem Leitbild des "ordentlichen Kaufmanns" zuwider, ergeben sich nicht nur haftungsrechtliche Konsequenzen[1]. Handeln sie mit einem entsprechenden Schädigungsvorsatz, machen sie sich auch nach § 266 StGB strafbar. Dieses Delikt verjährt zwar prinzipiell fünf Jahre nach dem schädigenden Ereignis[2]. Die Entscheidung des BGH stellt aber klar, dass es für den Beginn dieser Verjährungsfrist nicht allein auf den schadenbegründenden Akt ankommt. Liegt der tatsächliche Schadenseintritt später, ist allein auf dieses Datum abzustellen. Mit dem Abschluss einer abstrakt vermögensgefährdenden Vereinbarung ist zwar die Grundlage für eine auch strafrechtlich sanktionierte Schadenszufügung gelegt. Entscheidend für die Verfolgungsmöglichkeit ist aber der Termin des "echten" Schadenseintritts. Gerade bei Dauerverträgen, bei denen regelmäßige Leistungen und Gegenleistungen vereinbart werden, kann so eine strafrechtliche Verfolgbarkeit über Jahre hinweg bestehen.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 08.05.2003, 4 StR 550/02

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