Leitsatz
Der Sozialhilfeträger nahm den Sohn aus übergegangenem Recht auf Zahlung von Unterhalt für seine im Jahre 1940 geborene Mutter in Anspruch, für die der Sozialhilfeträger in der Zeit von Januar 2003 bis Dezember 2004 laufend Hilfe zum Lebensunterhalt geleistet hatte. Über diese Zahlung war der Sohn mit Rechtswahrungsanzeige vom 21.1.2003 und 1.9.2003 informiert worden.
Der Sohn verfüge über regelmäßige Einkünfte als Angestellter und lebte mit seiner Lebensgefährtin in einem im Jahre 2003 errichteten Haus, das mit erheblichen Verbindlichkeiten belastet war, die teilweise von ihm und teilweise von seiner Lebensgefährtin getilgt wurden. Ab 2004 erhielt er eine Eigenheimzulage i.H.v. 2.600,00 EUR jährlich.
Die Klägerin hat auf der Grundlage der von ihr vorgenommenen Einkommensberechnungen für das Jahr 2003 monatliche Beträge von 16,00 EUR und 27,00 EUR verlangt sowie ab dem Jahr 2004 monatlichen Unterhalt i.H.v. 169,00 EUR. Erstinstanzlich wurde der Klage antragsgemäß stattgegeben.
Hiergegen wandte sich der Sohn als Beklagter mit der Berufung unter Hinweis auf seine Leistungsunfähigkeit.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG vertrat die Auffassung, der Klage könne schon deswegen Erfolg nicht beschieden sein, weil die Klägerin keinen Grund für einen Unterhaltsanspruch der Mutter des Beklagten dargelegt habe. Allein der Bezug von Sozialhilfe reiche für die Begründung des Anspruchs nicht aus, weil allein daraus der Grund der Bedürftigkeit nicht zu erkennen sei. Im Rahmen des Erwachsenenunterhalts gelte grundsätzlich das Prinzip wirtschaftlicher Eigenverantwortung. Dies beinhalte die Verpflichtung, selbst für den Lebensunterhalt zu sorgen, wobei von einer jedenfalls bis zum Beginn des Rentenalters bestehenden Erwerbsverpflichtung auszugehen sei. Der Umfang dieser Erwerbsverpflichtung beurteile sich nach einem ähnlichen Maßstab, wie er für die Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern gelte (Scholz/Stein/Syka, Praxishandbuch Familienrecht, J Rz. 16). Komme eine eigene Erwerbstätigkeit alters- und krankheitsbedingt nicht mehr in Betracht, seien vorrangig Ansprüche auf nicht subsidiäre Sozialleistungen wie die Erwerbsunfähigkeitsrente oder Leistungen der Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsunfähigkeit in Anspruch zu nehmen. Ein Unterhaltsanspruch komme nur dann in Betracht, wenn aus keinem solcher vorrangig geltend zu machenden Ansprüche ein bedarfsdeckendes Einkommen erzielt werden könne.
Es wäre somit eine detaillierte Darlegung der Bedürftigkeit nötig gewesen, die sich nicht allein daraus ergebe, dass die Mutter des Beklagten seit dem Jahre 1979 mit nur geringen Unterbrechungen Sozialhilfe bezogen habe, obgleich sie verpflichtet gewesen sei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Die Frage der unterhaltsrechtlichen Bedürftigkeit beurteile sich nicht danach, ob die Mutter des Beklagten im Alter von mehr als 60 Jahre noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelbar sei, sondern danach, ob sie bei Ausschöpfung der bestehenden Erwerbsverpflichtungen weiterhin auf ein Arbeitseinkommen und selbst erworbene Rentenansprüche hätte zurückgreifen können.
Die Frage der groben Unbilligkeit der Inanspruchnahme des Beklagten und auch eines "sittlichen Verschuldens" i.S.v. § 1611 Abs. 1 BGB konnte nach Auffassung des OLG dahinstehen, weil jedenfalls bei Leistung des verlangten Unterhalts der eigene angemessene Bedarf des Beklagten nicht mehr gewahrt wäre.
Link zur Entscheidung
OLG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 21.02.2006, 12 UF 130/05