1. Antragsgebundene Begünstigungsmöglichkeiten für "Großerwerber"
Rz. 59
Wenn der Wert des begünstigten Vermögens (§ 13b Abs. 2 ErbStG) den Schwellenwert des § 13a Abs. 1 S. 1 ErbStG von 26 Mio. EUR überschreitet, ist eine Anwendung der "normalen", für "kleinere" Erwerbe zwingend anwendbaren, Verschonungsregeln ausgeschlossen. Eine steuerliche Begünstigung setzt dann zwingend einen entsprechenden Antrag des Erwerbers voraus, der entweder auf die Anwendung des Abschmelzungsmodells nach § 13c ErbStG oder auf die Durchführung der Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG gerichtet sein kann. Beide Anträge schließen sich wechselseitig aus.
Rz. 60
Stellt der Erwerber gar keinen Antrag, bleibt es bei einer ungemilderten Besteuerung, was je nach Lage des Falles bzw. Verwendungsabsichten des Erwerbers sogar steuerlich günstiger sein kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Erwerber Schulden in wirtschaftlichem Zusammenhaag mit (potenziell) begünstigtem Vermögen übernommen hat, die im Falle der Begünstigung (nach dem Abschmelzungsmodell) von vornherein nach § 10 Abs. 6 ErbStG nicht (in voller Höhe) abgezogen werden dürften und auch eine Verschonungsbedarfsprüfung bzw. ein mit ihr verbundener Steuererlass wegen beabsichtigter Veräußerung des begünstigten Vermögens nicht attraktiv wäre.
2. Abschmelzungsmodell
Rz. 61
Ein Antrag des Erwerbers auf Anwendung von § 13c ErbStG (Abschmelzungsmodell) kommt nur in Betracht, wenn der maßgebliche Wert des Erwerbs den Betrag von 90 Mio. EUR nicht übersteigt (§ 13c Abs. 1 S. 2 ErbStG). Der Erwerber hat in diesen Fällen ein echtes Wahlrecht zwischen der Abschmelzung nach § 13c ErbStG auf der einen und der Verschonungsbedarfsprüfung (§ 28a ErbStG) auf der anderen Seite.
Bei der Abschmelzung vermindert sich der zu gewährende Verschonungsabschlag entsprechend dem den Grenzwert von 26 Mio. EUR übersteigenden Wert, und zwar jeweils um 1 %-Punkt je volle 750.000 EUR.
3. Verschonungsbedarfsprüfung (§ 28a ErbStG)
a) Anwendungsbereich
Rz. 62
Für Erwerbe mit einem (ggf. mit anderen Erwerben zusammengerechneten) Wert von mehr als 90 Mio. EUR kann nur die Verschonungsbedarfsprüfung (§ 28a ErbStG) beantragt werden. Die Anwendung eines abgeschmolzenen Verschonungsabschlags scheidet aus. Der Antrag nach § 28a ErbStG ist außerdem nur zulässig, wenn – in den Erwerbsfällen bis zu maximal 90 Mio. EUR – nicht bereits ein Antrag auf Gewährung des abgeschmolzenen Verschonungsabschlags (§ 13c ErbStG) gestellt wurde (§ 28a Abs. 8 ErbStG).
b) Verschonungsbedarf
Rz. 63
Gemäß § 28a Abs. 1 S. 1 ErbStG besteht ein Verschonungsbedarf (und daraus abgeleitet ein Erlassanspruch), soweit der Erwerber persönlich nicht in der Lage ist, die auf das begünstigte Vermögen (§ 13b Abs. 2 ErbStG) entfallende Steuer aus seinem "verfügbaren Vermögen" zu zahlen. Das verfügbare Vermögen ist in § 28a Abs. 2 ErbStG definiert. Es setzt sich zusammen aus 50 % der Summe der gemeinen Werte des im Rahmen der zu beurteilenden Zuwendung erworbenen nicht begünstigten Vermögens sowie 50 % des dem Erwerber im Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 ErbStG) bereits gehörenden Vermögens (soweit es sich hierbei nicht um Vermögen i.S.v. § 13b Abs. 2 ErbStG handelt).
c) Art der zu gewährenden Verschonung (Erlass)
Rz. 64
Soweit die auf das begünstigte Vermögen geschuldete Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer das verfügbare Vermögen i.S.v. § 28a Abs. 2 ErbStG übersteigt, wird sie dem Steuerpflichtigen erlassen (§ 28a Abs. 1 S. 1 ErbStG). Der Erwerber hat insoweit einen Rechtsanspruch; eine Ermessensausübung durch die Finanzbehörden ist nicht vorgesehen.
Der Erlass steht aber unter der auflösenden Bedingung, dass der Erwerber nicht gegen die in § 28a Abs. 4 ErbStG genannten Bedingungen verstößt. Er darf also insbesondere nicht die Lohnsumme (nach Maßgabe der Optionsverschonung) unterschreiten oder gegen die Behaltensanforderungen des § 13a Abs. 6 S. 1 ErbStG verstoßen.
Außerdem entfällt der Erlass nach § 28a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG dann, wenn der Erwerber innerhalb von zehn Jahren nach dem Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 ErbStG) weiteres Vermögen durch Schenkung oder von Todes wegen erwirbt, das als "verfügbares Vermögen" anzusehen ist. In diesem Fall kann der Erwerber allerdings einen erneuten Antrag auf Durchführung der Verschonungsbedarfsprüfung stellen.
Rz. 65
Die nach einem teilweisen Erlass noch verbleibende Steuer kann nach § 28a Abs. 3 ErbStG gestundet werden, soweit ihre sofortige Einziehung für den Erwerber "eine erhebliche Härte" darstellen würde und der Steueranspruch nicht gefährdet erscheint. Je nach Lage des Falls kann die gesamte verbleibende Steuer oder nur ein Teilbetrag gestundet werden. Die Stundung nach § 28a Abs. 3 ErbStG dauert maximal sechs Monate. Über Umfang und Dauer der Stundung entscheidet die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen.