A. Allgemeines

 

Rz. 1

Die Bestimmungen des Untertitels 3 betreffen die Beschränkung der Haftung des Erben. Was damit im Grundsatz gemeint ist, wurde in der Einführung zu den §§ 19672017 BGB im Einzelnen angeführt. Während sich die Bestimmungen des Untertitels 2 mit zwei Fällen der Beschränkung der Haftung des Erben einzelnen Nachlassgläubigern gegenüber (§§ 1973, 1974 BGB) befassen, bestimmt der Untertitel 3 (§§ 19751992 BGB), unter welchen Voraussetzungen die Haftung des Erben allen Gläubigern gegenüber beschränkt werden kann. Es wird ein wichtiger Grundsatz der Haftungsbeschränkung festgelegt: Regelmäßig ist deren Voraussetzung die amtliche Sonderung des Nachlasses (separatio bonorum) vom Eigenvermögen des Erben.[1]

 

Rz. 2

Regelmäßige Voraussetzung für eine Haftungsbeschränkung allen Gläubigern gegenüber ist nach § 1975 BGB die Herbeiführung einer Nachlassverwaltung oder eines Nachlassinsolvenzverfahrens. Zu beachten ist allerdings, dass eine Beschränkung der Haftung auf den Nachlass gegenüber dinglichen oder ihnen gleichgestellten Ansprüchen, welche vom Aufgebot nach § 1971 nicht betroffen würden (im Einzelnen vgl. § 1971 Rdn 2 und 3), grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Gegenüber akzessorischen dinglichen Sicherungsrechten gilt dies jedenfalls dann, wenn der Gläubiger diese bereits vom Erblasser erworben hat. Hat er sie erst nach dem Erbfall erlangt, ist zu unterscheiden: In dem Fall, in dem der Nachlassgläubiger das Sicherungsrecht durch Rechtsgeschäft vom Erben erlangt hat und der Erbe sich dabei nicht ausdrücklich sein Recht zur Beschränkung der Haftung vorbehalten hat, verliert er sein Haftungsbeschränkungsrecht, kann das Sicherungsrecht u.U. kondizieren. Hat der Nachlassgläubiger das Sicherungsrecht nach dem Erbfall im Wege der Zwangsvollstreckung oder durch Vollziehung von Arrest bzw. einstweiliger Verfügung erlangt, kann der Erbe sich auch diesem gegenüber auf das Recht zur Haftungsbeschränkung berufen.[2] Die Nachlassverwaltung setzt dabei i.d.R. einen zureichenden Nachlass und das Nachlassinsolvenzverfahren einen nicht zureichenden, d.h. zahlungsunfähigen oder überschuldeten Nachlass voraus. Deckt der Nachlass weder die Kosten einer Nachlassverwaltung noch eines Nachlassinsolvenzverfahrens, kann nach §§ 1990, 1991 BGB eine Haftungsbeschränkung auch ohne eines der vorgenannten Verfahren herbeigeführt werden.

 

Rz. 3

Eine besondere Art der beschränkten Haftung, nämlich eine dem § 1973 BGB entsprechende, ist in § 1989 BGB bestimmt. Diese Vorschrift betrifft den Fall, dass das Nachlassinsolvenzverfahren durch Verteilung der Masse oder Insolvenzplan beendet ist und der Erbe hinterher noch für Nachlassverbindlichkeiten in Anspruch genommen wird.

 

Rz. 4

Der Errichtung eines Inventars, die lediglich die Sonderung des Nachlasses vom Eigenvermögen auf dem Papier bedeutet, hat das Gesetz keine haftungsbeschränkende Wirkung beigelegt. Sie wahrt dem Erben allein die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung, während ein Verstoß gegen die Inventarpflicht (§ 1994 BGB) das Recht zur Beschränkung der Erbenhaftung vernichtet und sie damit zur endgültig unbeschränkten, also unbeschränkbaren, werden lässt.

[1] MüKo/Küpper, § 1975 Rn 1.
[2] Staudinger/Dobler, Vorbem. §§ 1975–1992 Rn 2.

B. Überblick

 

Rz. 5

Die amtliche Nachlasssonderung durch Nachlassverwaltung bei zulänglichem, aber unübersichtlichem Nachlass und durch Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens bei Überschuldung oder (drohender) Zahlungsunfähigkeit (§ 320 InsO) macht auch den Nachlass des Alleinerben mit Rückwirkung auf den Erbfall zu einem Sondervermögen, das durch den Abwicklungszweck dinglich gebunden ist.

 

Rz. 6

Folgende Besonderheiten sind zu beachten:

Mit der Anordnung der Nachlassverwaltung oder Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens geht das Recht zur Verwaltung und Verfügung über den Nachlass vom Erben auf den Verwalter (Nachlass- oder Insolvenzverwalter) über (§§ 1984 Abs. 1, 1985 BGB; § 80 Abs. 1 InsO). Er hat die Nachlasssachen in Besitz zu nehmen und zu verwerten (§§ 148, 159 InsO).
Die Nachlassgläubiger können nur noch ihre Ansprüche gegen den Verwalter geltend machen (§ 1984 Abs. 1 S. 3 BGB), der die Nachlassschulden aus dem Nachlass zu berichtigen hat (§ 1985 Abs. 1 BGB), und Befriedigung aus dem Nachlass verlangen (§ 27 InsO).
Vollstreckungsmaßnahmen der Eigengläubiger des Erben werden rückwirkend aufgehoben, wenn sie noch nicht zur Pfandverwertung geführt haben.
Der Nachlass dient ausschließlich der Befriedigung der Nachlassgläubiger unter Ausschluss der Eigengläubiger (§ 325 InsO), die während der amtlichen Abwicklung nicht in den Nachlass vollstrecken können (§ 1984 Abs. 2 BGB; §§ 3, 38 Abs. 1, 325 InsO).
Die Vereinigung von Rechten und Pflichten, Rechten und Lasten gilt rückwirkend als nie erfolgt (§ 1976 BGB; § 326 Abs. 1 InsO).
Für die Aufrechnung besteht zwischen Nachlass und Eigenvermögen, ebenfalls rückwirkend auf den Erbfall, keine Gegenseitigkeit (§§ 387, 1977 BGB).
Die Prozessführungsbefugnis geht auf den Verwalter über, während der Erbe Träger der ...

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