1. Grundsatz
Rz. 36
Wird vom Rechtsmittelgericht an ein Gericht außerhalb des Instanzenzugs verwiesen, ist § 21 Abs. 1 unanwendbar. Es gilt ausschließlich § 20 S. 2: Das Verfahren vor dem annehmenden Gericht ist eine neue Angelegenheit – alle Gebühren – auch die Verfahrensgebühr entstehen erneut. Soweit der BayVGH die Auffassung vertritt, dass das weitere Verfahren vor dem annehmenden erstinstanzlichen Gericht zwar nach § 20 S. 2 einen neuen Rechtszug bilde, dies aber nicht bedeute, dass auch im Verhältnis zu dem Gericht, bei dem die Klage ursprünglich erhoben wurde, ein neuer Rechtszug vorliege, und daher die Verfahrensgebühr nach VV 3100 nur einmal anfalle, ist dies nicht nachzuvollziehen und auch mit der eindeutigen Rechtslage nicht zu vereinbaren.
2. Wechsel des sachlichen Instanzenzugs
Rz. 37
Es sind dies zum einen die Fälle, in denen innerhalb derselben Gerichtsbarkeit der sachliche Instanzenzug wechselt:
Rz. 38
Berufungs- oder Beschwerdegericht an Erstgericht:
▪ |
der Familiensenat am OLG verweist an die erstinstanzliche Zivilkammer beim LG oder an die allgemeine Abteilung beim AG |
▪ |
der Landwirtschaftssenat am OLG verweist an das LG |
▪ |
der allgemeine Zivilsenat am OLG verweist an das FamG |
▪ |
der allgemeine Zivilsenat am OLG verweist an das Landwirtschaftsgericht beim AG etc. |
Rz. 39
Revisionsgericht oder Gericht der weiteren Beschwerde an Erstgericht:
▪ |
der Strafsenat am OLG verweist an die große Strafkammer am LG etc. |
Rz. 40
Hierzu zählt auch der Fall des § 354 Abs. 3 StPO.
Beispiel: Der Strafsenat am BGH verweist die Sache (Anklage schwerer Raub) an das AG (Schöffengericht oder Strafrichter), da er aus Rechtsgründen nur von einem einfachen Diebstahl ausgeht, der in die Strafgewalt des AG fällt.
Rz. 41
Ebenso gelten weder § 21 Abs. 1 noch § 20 S. 1, sondern § 20 S. 2 bei Verweisung an das gleiche Gericht, wenn in eine niedrigere Instanz verwiesen wird.
Beispiel 1: Die kleine Strafkammer am LG als Berufungsgericht verweist an die große Strafkammer als Gericht erster Instanz.
Beispiel 2: Die Berufungskammer am LG verweist an die erstinstanzliche Zivilkammer am selben LG.
Rz. 42
Zum Teil werden diese Fälle auch über § 21 Abs. 1 gelöst, was prozessual unzutreffend ist, im Ergebnis aber keinen Unterschied ausmacht, da dann jedenfalls eine Anrechnung nach VV Vorb. 3 Abs. 6 ausgeschlossen ist. Verfehlt ist es dagegen, § 20 S. 1 anzuwenden, da in einen niedrigeren Rechtszug verwiesen wird.
3. Wechsel des örtlichen Instanzenzugs
Rz. 43
Weiterhin fällt auch der Wechsel des örtlichen Instanzenzugs unter § 20 S. 2. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Verfahrensordnung die Verweisung an ein anderes örtliches Gericht zulässt (siehe Rdn 28).
Beispiel: Die vor dem LG Bonn erhobene Klage wird mangels örtlicher Zuständigkeit abgewiesen. Auf die Berufung und den dort gestellten Hilfsantrag verweist das OLG Köln die Sache an das örtlich zuständige LG Köln.
Obwohl der sachliche Instanzenzug gewahrt ist, liegt keine Zurückverweisung i.S.d. § 21 Abs. 1 vor. Auch dieser Fall richtet sich nach § 20 S. 2.
4. Wechsel des Rechtszugs
Rz. 44
Schließlich zählen zu § 20 S. 2 auch die Fälle, in denen an eine andere Gerichtsbarkeit verwiesen wird:
Rz. 45
Berufungsgericht an Erstgericht eines anderen Rechtszugs:
▪ |
OLG verweist an das VG |
▪ |
OVG/VGH verweist an LG |
▪ |
LAG verweist an AG oder LG |
▪ |
LG verweist an ArbG |
▪ |
LSG verweist an VG etc. |
Rz. 46
Revisionsgericht an Erstgericht eines anderen Rechtszugs:
▪ |
BGH verweist an VG |
▪ |
BVerwG verweist an LG |
▪ |
BSG verweist an AG oder LG |
▪ |
BGH verweist an ArbG |
▪ |
BSG verweist an VG etc. |
5. Verweisung an ein Gericht erster Instanz, das zugleich letztinstanzlich entscheidet
Rz. 47
Umstritten ist die Rechtslage, wenn ein Rechtsmittelgericht an ein Gericht erster Instanz verweist, das gleichzeitig auch letztinstanzlich entscheidet.
Beispiel 1: Der BGH verweist die Sache an das BVerwG als Gericht erster Instanz.
Beispiel 2: Das OVG verweist die Sache an das nach § 50 Abs. 1 VwGO zuständige BVerwG.
Rz. 48
Nach der Ansicht des BVerwG richten sich diese Fälle nach § 20 S. 1, und zwar unabhängig davon, ob die Verweisung von einem Berufungs- oder Revisionsgericht ausgesprochen worden ist. Zwar entscheide das BVerwG in diesen Fällen erstinstanzlich, aber auch gleichzeitig letztinstanzlich, so dass sich in diesem Fall eine Verweisung an das BVerwG aus jedweder Instanz immer als eine horizontale Verweisung darstelle. Diese Auffassung ist unzutreffend und findet im Gesetz keine Stütze. Es gilt vielmehr § 20 S. 2, da an ein Gericht eines niedrigeren Rechtszuges verwiesen worden ist. Dass gegen die E...