Rz. 1
Ohne Wissen und Willen des Erben wird der Erwerb der Erbschaft nach dem Tod des Erblassers vollzogen, sog. Vonselbsterwerb (§§ 1922, 1942 BGB; vgl. § 1922 Rdn 1). Bis zur Annahme der Erbschaft besteht ein Schwebezustand. Der Erbe ist "vorläufiger Erbe". Erst die Annahme der Erbschaft bewirkt, dass der Annehmende endgültig Erbe wird und die Erbschaft auch nicht mehr ausschlagen kann (§ 1943 Alt. 1 BGB); mit dem Ablauf der für die Ausschlagung vorgeschriebenen Frist, gilt die Erbschaft als angenommen (§ 1943 Alt. 2 BGB). Da die Frist zur Ausschlagung der Erbschaft nur kurz bemessen ist (grundsätzlich: sechs Wochen; § 1944 Abs. 1 BGB), muss sich der Erbe recht bald – nach Kenntnis von dem Anfall der Erbschaft – entscheiden, ob er die Erbschaft annimmt oder ausschlägt. Mit der Annahme der Erbschaft – der Beendigung des Schwebezustandes – endet der weitgehende Schutz des vorläufigen Erben (§ 1958 BGB; § 788 ZPO). Ab diesem Zeitpunkt können die Nachlassgläubiger gegen den Erben vorgehen und ihn mit seinem Nachlass und Eigenvermögen in Anspruch nehmen. Aber auch die übrigen Gläubiger des Erben können nun – über das Eigenvermögen hinaus – in den Nachlass vollstrecken. In dieser kurzen Zeit hat sich der Erbe zumeist noch nicht einen Überblick über Aktiva und Passiva des Nachlasses verschaffen können und muss doch alsbald entscheiden, ob und ggf. wie er seine Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten beschränken will (oder muss).
Rz. 2
Hier setzen die aufschiebenden Einreden der §§ 2014 und 2015 BGB an und verschaffen dem Erben die Zeit und damit auch die Möglichkeit, den Bestand des Nachlasses festzustellen und seine Entscheidungen in Ruhe zu treffen, weil er die "Angriffe" der Nachlassgläubiger für einen bestimmten Zeitraum abwenden kann. Die beiden Bestimmungen gewähren jeweils ein materielles Leistungsverweigerungsrecht, wobei dasjenige des § 2014 BGB vom Zeitpunkt des Erbfalls bis zum Ablauf von drei Monaten nach der Annahme der Erbschaft bzw. bis zur Errichtung des Inventars und des § 2015 BGB den Erben unter bestimmten Voraussetzungen auch während der gesamten Dauer des Aufgebotsverfahrens (§§ 1970 ff. BGB) vor einer Inanspruchnahme durch die Nachlassgläubiger schützt. Dieser Schutz des materiellen Rechts wird prozessual "flankiert" und ergänzt durch die §§ 305, 780, 782, 783 ZPO und damit zu einem umfassenden Schutz ausgebaut. Die Geltendmachung der Einreden ist nicht nur ein Recht des Erben, sondern gegenüber den Nachlassgläubigern auch seine Pflicht (§§ 1978, 1979 BGB). Hat der Erbe sein Recht zur Haftungsbeschränkung bereits verloren, ist der Schutz sinn- und zwecklos und er wird dem Erben auch nicht mehr gewährt (§ 2016 Abs. 1 BGB).
Literaturtipps
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Literatur |
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Büttner, Erteilung der Restschuldbefreiung für die Erben, ZInsO 201, 588; |
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Eich, Beschränkung der Erbenhaftung, ErbStB 2006, 228; |
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Fischinger, Zur Stellung der Nachlassgläubiger, wenn der Erbe beim Erbfall insolvent ist, ZInsO 2013, 365; |
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Fröhler, Rechtliche Grundlagen und praktische Probleme bei der Führung von Nachlasspflegschaften, BWNotZ 2011, 2; |
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Herzog, Nachlasshaftung und Nachlassinsolvenz (1. Teil), ErbR 2013, 70; (2. Teil), ErbR 2013, 104; |
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Holzer, Das Aufgebot der Nachlassgläubiger nach dem FamFG, ZEV 2014, 583; |
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Jünemann, Nachlassinsolvenz, ZErb 2011, 59; |
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Lettmann, Die Beschränkung der Erbenhaftung, RNotZ 2002, 537; |
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Olzen, Die Erbenhaftung, Jura 2001, 520; |
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Osthold, Instrumente im Recht der Erbenhaftung, ErbR 2016, 610; |
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Poertzgen, Die Insolvenzverschleppungshaftung gem. § 1980 BGB, ZInsO 2013, 517; |
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Schreiber, Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten, Jura 2010, 117; |
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Sick, Die Haftung des Erben nach § 1967 BGB und das Problem der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass, ZErb 2010, 325; |
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Weiß, Das Nachlassinsolvenzverfahren/Erbrecht für Insolvenzverwalter – Teil 3: Haftungsbeschränkungen nach §§ 1970 ff. BGB, ZInsO 2017, 2306; |
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Wessels, Zwangsvollstreckungsrechtliche Fragestellungen im Erbrecht, ZFE 2005, 191; vgl. im Übrigen auch die Literaturhinweise bei der Vorbemerkung zu §§ 1975–1992. |