Rz. 1

Erst im späteren Mittelalter hatte sich das gemeinschaftliche Testament gewohnheitsrechtlich herausgebildet. Dabei war auch eine gemeinschaftliche Testierung durch Nichtehegatten möglich. Im gemeinen Recht war das gemeinschaftliche Testament ebenfalls fest verankert. Die Abhängigkeit wechselbezüglicher Verfügungen voneinander war allg. anerkannt, so dass hier bereits die Rechtsfolgen von Widerruf oder Unwirksamkeit in ähnlichen Bahnen wie heute zu diskutieren waren. In den Kodifikationen der Partikularrechte waren die Grundsätze des gemeinen Rechts übernommen worden, insbesondere im Preußischen Allgemeinen Landrecht (I. 12 §§ 614 ff.; II 1. §§ 482 ff.), im Bayerischen Landrecht (III. cap 4 §§ 10, 11) und im Sächsischen Gesetzbuch (§§ 2196 ff., 2214 BGB). Dabei war das gemeinschaftliche Testament teilweise nur Ehegatten vorbehalten (Preußisches Allgemeines Landrecht).

 

Rz. 2

Festzuhalten bleibt demnach, dass das gemeinschaftliche Testament im deutschsprachigen Raum auf eine lange Geschichte zurückblicken kann. In der Rechtswirklichkeit spielte und spielt es daher eine große Rolle. Dennoch beschloss noch die 1. Kommission zum BGB, das gemeinschaftliche Testament nicht in das BGB aufzunehmen. Dieses wurde als eine "unklare Mitte zwischen Erbvertrag und Testament" betrachtet. Bei der Ermittlung des wirklichen Willens der Verfügenden komme es zu zahlreichen Schwierigkeiten.

 

Rz. 3

Außerdem stehe der Erbvertrag als geeignetere Alternative zur Verfügung.[1] Mit Rücksicht auf die Rechtswirklichkeit und die weite Verbreitung des gemeinschaftlichen Testaments in der Bevölkerung beschloss jedoch die II. Kommission, selbiges nicht zu verbieten. Demgemäß wurde beschlossen, das gemeinschaftliche Testament nur für Ehegatten aber nicht für Verlobte oder andere Personen zuzulassen. Eine inhaltliche Beschränkung wurde verworfen.[2] Ausschlaggebend für diesen Entschluss der II. Kommission war wohl auch, dass zu diesem Zeitpunkt nur öffentliche Testamente zugelassen waren, so dass i.d.R. eine Beratung durch einen Notar zu erfolgen hatte. Die Regelung, die das gemeinschaftliche Testament heute im BGB gefunden hat, wird allg. als lückenhaft und fragmentarisch empfunden.[3]

[1] Mot. V., S. 253.
[2] Prot. V, S. 426 f.
[3] Staudinger/Kanzleiter, Vor §§ 2265 ff. Rn 4; RGRK/Johannsen, Vor § 2265 Rn 3.

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