I. Allgemeines

 

Rz. 4

Der Begriff des gemeinschaftlichen Testaments ist im Gesetz selbst nicht definiert. Es verwundert daher nicht, wenn die Voraussetzungen für die Gemeinschaftlichkeit eines Testaments stets umstritten waren und umstritten geblieben sind. Das Gesetz gibt in § 2267 S. 1 BGB lediglich einen Typus des gemeinschaftlichen Testaments vor. Aus der dort verwendeten Formulierung "zur Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments nach § 2247 BGB genügt es, …" lässt sich zwanglos folgern, dass die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments auch noch auf andere Art und Weise möglich sein muss.

II. Gemeinschaftliche Testamente der §§ 2265 ff. BGB

 

Rz. 5

Daher stellt sich insbesondere bei Testamenten von Ehegatten, die räumlich und/oder zeitlich getrennt voneinander errichtet werden, die Frage, ob diese Testamente als ein gemeinschaftliches Testament im Sinne der §§ 2265 ff. BGB einzuordnen sind oder nicht. Die Beantwortung dieser Frage kann i.R.d. §§ 2268, 2270 BGB darüber entscheiden, ob die Verfügung des einen Ehegatten bei Unwirksamkeit oder Widerruf des anderen Ehegatten wirksam bleibt, ob die Auslegungsregeln des § 2269 und des § 2270 BGB Anwendung finden, ob und wie Verfügungen nach § 2271 BGB widerrufen werden können, wie nach § 2272 BGB die Rücknahme aus amtlicher Verwahrung zu erfolgen hat und ob bei der Eröffnung eines Testaments § 2273 BGB zu beachten ist oder nicht. Im Einzelnen werden hierzu folgende Ansichten vertreten:

1. Objektive Theorie

 

Rz. 6

Diese früher herrschende Ansicht stellte rein formalistisch auf den Begriff der Einheit der Urkunde ab.[4] Diese Theorie, die zunächst den Charme einer eindeutigen Abgrenzung zu haben scheint, verliert selbigen schnell wieder, wenn man diese tatsächlich anwenden will. Die vom RG in seiner grundlegenden Entscheidung[5] verwendete Definition ist nämlich alles andere als eindeutig und widerspruchsfrei: "Das Wesen des gemeinschaftlichen Testaments besteht darin, dass die letztwilligen Verfügungen mehrerer Personen in einer einzigen Urkunde errichtet werden. Es kommt nicht darauf an, ob die Verfügungen auf einem Blatt oder ob sie auf mehreren Bogen oder Blättern stehen. Es können mehrere Personen ihre letztwilligen Verfügungen nacheinander auf dasselbe Blatt Papier schreiben, ohne dass ein gemeinschaftliches Testament hergestellt wird; andererseits kann ein gemeinschaftliches Testament aus mehreren Bogen oder Blättern bestehen. Es kommt auch nicht wesentlich auf den Inhalt der Verfügungen, auf die Einheitlichkeit oder Gemeinschaftlichkeit des Errichtungsaktes oder auf die Absicht der Verfügenden an …" Dementsprechend wurde die objektive Theorie zu Recht bspw. von v. Hippel[6] angegriffen, der darlegte, dass der Begriff der Einheit der Urkunde schwer abzugrenzen und deswegen schlecht geeignet sei.

[4] RGZ 50, 308; RGZ 72, 204; RGZ 87, 33.
[5] RGZ 72, 204.
[6] v. Hippel, Formalismus und Rechtsdogmatik, 1935, S. 131 ff.

2. Subjektive oder Willenstheorien

 

Rz. 7

Diese Theorien sehen den Willen der Ehegatten, gemeinsam zu testieren, als maßgebliches Kriterium für das gemeinschaftliche Testament an. Begünstigt wurde das Vordringen der subjektiven Theorie durch das Gesetz über die Errichtung von Testamenten und Erbverträgen v. 31.7.1938,[7] welches am 4.8.1938 in Kraft trat. Dieses änderte die Bestimmungen über die Form der Errichtung gemeinschaftlicher Testamente. Somit war der Boden für ein Abrücken von der rein formalistischen objektiven Theorie bereitet.[8] Der wesentliche Meinungsstreit innerhalb der subjektiven Theorien entzündet sich an der Frage, ob der gemeinschaftliche Testierwille der Ehegatten in den Verfügungen selbst zumindest andeutungsweise zum Ausdruck gekommen sein muss oder nicht.

 

Rz. 8

Die heute h.M. verlangt, dass der Wille, gemeinsam zu testieren, in den Verfügungen der Ehegatten zumindest angedeutet sein muss.[9] Auch dann, wenn diese Andeutungen nicht eindeutig sind, können zur weiteren Auslegung Umstände außerhalb der Urkunde herangezogen werden.[10] Der Wille, gemeinschaftlich zu testieren, kann sich auch aus späteren Nachträgen oder Zusätzen zum Testament ergeben.[11] Die subjektive Theorie i.V.m. der Andeutungstheorie kann für sich den Vorzug der Rechtssicherheit in Anspruch nehmen.[12]

 

Rz. 9

Die i.R.d. subjektiven Theorien vertretene gegenteilige Ansicht lässt es genügen, wenn sich der Wille zum gemeinschaftlichen Testieren allein aus Umständen ergibt, die außerhalb der Testamentsurkunden liegen.[13]

[7] RGBl I. 973.
[8] Staudinger/Kanzleiter, Vor §§ 2265 Rn 15.
[9] BGHZ 9, 113 = NJW 1953, 698; BayObLG Rpfleger 1988, 365; BayObLG FamRZ 1991, 1485, 1486; OLG Hamm Rpfleger 1999, 207; BayObLG FamRZ 2001, 1563, 1564; KG FamRZ 2001, 794, 795; OLG Düsseldorf FamRZ 2017, 1785; OLG Düsseldorf FamRZ 2017, 1269.
[10] OLG Brandenburg ZEV 2007, 178 m. Anm. Sticherling.
[12] Soergel/Wolf, § 2265 Rn 7.
[13] Staudinger/Kanzleiter, Vor §§ 2265 ff. Rn 19, der die Beweislast für das Vorliegen eines gemeinschaftlichen Testaments bei demjenigen sieht, der die Gemeinschaftlichkeit behauptet; Battes, § 25 III.; Lange/Kuchinke, § 24 III. 2.b Rn 174, 197.

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