I. Allgemeines
Rz. 1
Das in §§ 2303 ff. BGB verankerte Pflichtteilsrecht garantiert einem bestimmten Personenkreis nächster Angehöriger des Erblassers eine Mindestteilhabe an dessen Nachlass. Auf Grund der sich aus der das deutsche Zivilrecht prägenden Privatautonomie ergebenden Testierfreiheit hat der Erblasser zwar grundsätzlich die Möglichkeit, auch seine nächsten Angehörigen zu enterben. Dieser Grundsatz wird jedoch durch das Pflichtteilsrecht durchbrochen. Das gesetzliche Erbrecht ist durch den Gedanken der Familienbindung des Vermögens ("Das Gut rinnt wie das Blut" [germanischer Rechtsgrundsatz]) geprägt. Hierzu stünde eine unbeschränkte Testierfreiheit in Widerspruch. Das Pflichtteilsrecht ist daher der Kompromiss des BGB, der sich in diesem Spannungsfeld bewegt. Der Aufnahme des Pflichtteilsrechts in das BGB lag der Gedanke zugrunde, dass den Erblasser eine über seinen Tod hinausgehende Sorgfaltspflicht gegenüber dem genannten Personenkreis treffe (familiäre Solidarität und Verantwortung). Hinzu kam auch der Wunsch, eine wirtschaftliche Absicherung und Versorgung der Pflichtteilsberechtigten zu gewährleisten. In der Institution des Pflichtteilsrechts wurde von den Vätern des BGB gleichzeitig ein Mittel gesehen, Vermögenskonzentrationen entgegenzuwirken und damit Klassengegensätze zu mildern. Außerdem sollte durch das Pflichtteilsrecht einer unerwünschten Machtpositionen des Erblassers entgegengewirkt werden, die die unbeschränkte Testierfreiheit mit sich gebracht hätte.
Rz. 2
Bei Aufnahme des Pflichtteilsrechts in das BGB war gleichzeitig über die pflichtteilsrechtliche Legitimation, den Umfang des Pflichtteilsrechts sowie seine rechtliche Gestalt zu entscheiden: Pflichtteilsberechtigt sind seitdem die Abkömmlinge, die Eltern und der Ehegatte des Erblassers, seit 2001 gem. § 10 Abs. 6 LPartG auch der Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, § 2303 BGB. Gem. § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB besteht ein Pflichtteilsanspruch i.H.d. Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Der Pflichtteilsanspruch entsteht gem. § 2317 BGB mit dem Erbfall und gewährt dem Pflichtteilsberechtigten einen Geldanspruch gegenüber dem bzw. den Erben. Der Vergleich des Pflichtteilsrechts des BGB mit Regelungen anderer (geltender) Rechtsordnungen führt zu nachfolgenden Überlegungen, die sich im Zusammenhang mit der gesetzlichen Ausgestaltung der Mindestteilhabe am Vermögen des Erblassers ergeben.
II. Höhe des Pflichtteils
Rz. 3
U.a. drängte sich in der Vergangenheit die Frage auf, ob die starren Pflichtteilsquoten auch zukünftig unbedingt beibehalten werden müssen. Das Pflichtteilsrecht erlegt dem Erblasser eine über seinen Tod hinausgehende vermögensrechtliche Verantwortlichkeit gegenüber dem Kreis der Pflichtteilsberechtigten auf. Eine bedarfsabhängige Regelung für den einzelnen Pflichtteilsberechtigten würde aber dem Versorgungsgedanken des Pflichtteilsrechts u.U. besser gerecht werden. Die einzelfallbezogene Bildung variabler Quoten würde jedoch eine nicht hinnehmbare Rechtsunsicherheit mit sich bringen und zudem ein exorbitant hohes Streitpotential in sich bergen. Derartige Tendenzen waren und sind daher nicht zu befürworten. Vereinzelt ist die Reduzierung der Pflichtteilsquote auf ⅓ diskutiert worden. Der Gesetzgeber hat aber derartige Vorschläge im Rahmen der Erbrechtsreform 2010 unberücksichtigt gelassen.
III. Personenkreis der Pflichtteilsberechtigten
Rz. 4
Der Personenkreis ist, wie Strätz ausführt, sehr eng ausgestaltet. Seiner Ansicht nach ist jedoch eine Erweiterung der pflichtteilsrechtlichen Legitimation absolut nicht erforderlich. Dieser Ansicht ist zuzustimmen, zumal die Regelungen des Lebenspartnerschaftsgesetzes zu einer zusätzlichen, aber gesetzgeberisch konsequenten, Erweiterung des Pflichtteilsrechts geführt haben.
IV. Rechtsnatur des Pflichtteilsanspruchs
Rz. 5
Der Pflichtteilsanspruch ist ein reiner Geldanspruch. Durch diese Ausgestaltung wird dem berechtigten Interesse des Erblassers Rechnung getragen, seinen Nachlass geschlossen, sozusagen als Einheit, an eine oder mehrere von ihm ausgewählte Personen zu vererben. Besteht der Nachlass aber zum größten Teil aus nicht ohne weiteres liquidierbaren Vermögensgegenständen, droht gerade wegen dieser Ausgestaltung des Pflichtteilsanspruches eine Zerschlagung des Nachlasses. Unter diesem Gesichtspunkt stellt sich die Frage, ob der Pflichtteilsanspruch wirklich als reiner Geldanspruch ausgestaltet sein sollte. Denkbar wäre es z.B., den Pflichtteilsberechtigten dinglich am Nachl...