Rz. 20
Das ENZ dient dazu, grenzüberschreitende Nachlassfälle einfacher abwickeln zu können, und stellt folglich einen weiteren Schritt in der Vereinheitlichung von europäischem Recht dar. Art. 63 Abs. 1 EuErbVO regelt, dass sich Erben, dingliche Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter unmittelbar durch das ENZ auf ihre Rechtsstellung berufen können. Neben den Erben werden auch die dinglichen Vermächtnisnehmer mit ihrer jeweiligen quotalen Beteiligung ausgewiesen gemäß Art. 63 Abs. 2 Buchst. a EuErbVO. Daneben wird in einem ENZ auch die Zuordnung eines bestimmten Vermögenswertes am Nachlass an bestimmte Erben oder Vermächtnisnehmer ausgewiesen, was beim Erbschein nach deutschem Recht gerade nicht möglich ist.
Die Wirkung des ENZ kommt der des nach deutschem Erbrecht erteilten Erbscheins nahe. Insbesondere der Gutglaubensschutz nach § 2366 BGB wird durch Art. 69 Abs. 2 EuErbVO geregelt, jedoch mit der Einschränkung, dass gemäß Nr. 71 der Erwägungsgründe auch noch beglaubigte Abschriften vorgelegt werden müssen. Diese sind jedoch nur für einen Zeitraum von sechs Monaten gemäß Art. 71 Abs. 3 EuErbVO gültig, was bei der häufig doch meist längeren Dauer der Abwicklung von Nachlässen in der Praxis zu Problemen führen kann.
Rz. 21
Das ENZ besitzt volle Beweiskraft, stellt aber keinen vollstreckbaren Titel dar. Es enthält die Vermutungswirkung, dass das ausgewiesene Erbrecht korrekt festgestellt wurde. Im Rechtsverkehr darf ein Dritter darauf vertrauen, dass der im ENZ ausgewiesene Erbe, dingliche Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter berechtigt ist, über den Nachlass oder einen bestimmten Vermögenswert des Nachlasses zu verfügen, sofern er nicht nach Art. 68 Abs. 3 und 4 EuErbVO die Unrichtigkeit des Zeugnisses kannte.
Rz. 22
Gemäß Nr. 69 der Erwägungsgründe soll die Verwendung des Zeugnisses nicht verpflichtend sein. Berechtigte Personen können also das ENZ beantragen, sind aber nicht dazu verpflichtet; vielmehr können sie wie früher die anderen nach dieser Verordnung zur Verfügung stehenden Instrumente (Entscheidung, öffentliche Urkunde und gerichtlicher Vergleich) verwenden. Entscheidend für die Umsetzung der EuErbVO und damit auch die einheitliche Rechtsanwendung ist jedoch, dass eine Behörde oder Person, der ein in einem anderen Mitgliedstaat ausgestelltes Zeugnis vorgelegt wird, nicht verlangen kann, dass statt des Zeugnisses eine Entscheidung, eine öffentliche Urkunde oder ein gerichtlicher Vergleich vorgelegt wird.