1. Allgemeines
Rz. 14
Die EuErbVO trat mit Wirkung zum 17.8.2015 in Kraft. Da sich gemäß Art. 21 EuErbVO die Erbfolge nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes im Todeszeitpunkt richtet (Erbstatut), kann ein Erblasser durch letztwillige Verfügung nach Art. 22 EuErbVO eine Wahl des Erbstatuts vornehmen. Er kann nach Art. 22 EuErbVO sein Heimatrecht wählen, also das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Die EuErbVO findet auf alle Nachlassfälle in den Mitgliedstaaten der EU seit dem 17.8.2015 Anwendung, bis auf Irland, Dänemark und das Vereinigte Königreich, die der Verordnung nicht beigetreten sind. Bedeutendste Änderung gegenüber der früheren Rechtslage ist dabei, dass für die Frage des anwendbaren Erbrechts nicht mehr auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers abgestellt wird, sondern darauf, wo der Erblasser nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
Rz. 15
Insbesondere von Bedeutung für die Abwicklung von Nachlässen ist dabei das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ). Dieses wird für alle Todesfälle seit dem 17.8.2015 auf Antrag ausgestellt (Art. 65 EuErbVO) und neben den nationalen Erbbescheinigungen, in Deutschland also neben dem Erbschein und dem Testamentsvollstreckerzeugnis, gemäß Art. 62 Abs. 3 EuErbVO erteilt. Gemäß Art. 62 Abs. 3 EuErbVO macht das ENZ, sobald es erteilt ist, den nationalen Erbnachweis entbehrlich. Das ENZ weist anders als der deutsche Erbschein gemäß Art. 63 Abs. 2 EuErbVO neben dem Erben auch den Testamentsvollstrecker und den Vermächtnisnehmer aus.
2. Zuständigkeit, Antrag, Inhalt und Wirkung des Europäischen Nachlasszeugnisses
a) Zuständigkeit
Rz. 16
Für die Erteilung des ENZ sind gemäß Art. 64 Buchst. a EuErbVO Gerichte oder sonstige Institutionen i.S.d. Art. 3 Abs. 2 EuErbVO, oder gemäß Art. 64 Buchst. b EuErbVO eine Behörde, die nach innerstaatlichem Recht für Erbsachen zuständig ist, zuständig. In Deutschland sind also wie bisher die Nachlassgerichte zuständig. Die allgemeine Zuständigkeit des Gerichts bestimmt sich nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers gemäß Art. 64 i.V.m. Art. 4 EuErbVO. Hat der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb eines Mitgliedstaates gehabt, so sind nach Art. 10 EuErbVO die Gerichte des Mitgliedstaates zuständig, dessen Staatsangehörigkeit er hatte oder in dessen Gebiet er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in den letzten fünf Jahren vor seinem Tod hatte.
In Deutschland ist nach Art. 34 IntErbRVG i.V.m. Art. 64 EuErbVO das Nachlassgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Ist der gewöhnliche Aufenthalt im Todeszeitpunkt nicht im Inland gewesen, ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der letzte gewöhnliche Aufenthalt im Inland lag; ist auch ein solcher nicht gegeben, ist das Amtsgericht Berlin-Schöneberg zuständig. Insofern verhält es sich entsprechend wie bei der Zuständigkeit für das Erbscheinsverfahren nach §§ 343 ff. FamFG. Sachlich zuständig ist nach § 34 Abs. 4 IntErbRVG das Amtsgericht als Nachlassgericht.
b) Antragsberechtigung, notwendige Angaben
Rz. 17
Der Antrag auf Erteilung eines ENZ kann nach Art. 65 Abs. 1 EuErbVO von jeder der in Art. 63 Abs. 1 EuErbVO genannten Personen gestellt werden. Dies sind die Erben, dinglich berechtigte Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter und Nachlasspfleger. Der Kreis der antragsberechtigten Personen ist also enger als bei der Beantragung eines deutschen Erbscheins, bei dem auch die Nachlassgläubiger antragsberechtigt sind. Der Nachlassinsolvenzverwalter ist auch nicht antragsberechtigt nach Art. 63 EuErbVO.
In dem Antrag auf Erteilung eines ENZ sind vom Antragsteller wesentlich umfangreichere Angaben zu machen als bei der Beantragung eines deutschen Erbscheins. Art. 65 Abs. 3 Buchst. a) bis m) EuErbVO verlangt dabei auch die Angabe des beabsichtigten Zwecks des Zeugnisses. Das ENZ soll also gerade nicht erteilt werden, wenn keine grenzüberschreitenden Zusammenhänge des Nachlasses vorhanden sind.
c) Inhalt
Rz. 18
Der Inhalt des ENZ ist ebenfalls wesentlich umfangreicher als der eines nach deutschem Recht erteilten Erbscheins. Während ein Erbschein nach § 352 b FamFG lediglich den Erblasser, den Erben, eine Vor- und Nacherbschaft sowie eine angeordnete Testamentsvollstreckung enthalten darf, sind die Angaben in einem ENZ deutlich umfangreicher. Das ENZ muss gemäß Art. 68 EuErbVO zum einen die genaue Bezeichnung der ausstellenden Behörde, des Aktenzeichens und die Umstände, aus denen die Ausstellungsbehörde ihre Zuständigkeit für die Ausstellung des Zeugnisses herleitet, enthalten, zum anderen aber auch detaillierte Angaben gemäß Art. 68 Buchst. e EuErbVO zum Antragsteller: Name (ggf. Geburtsname), Vorname(n), Geschlecht, Geburtsdatum und -ort, Personenstand, Staatsangehörigkeit, Identifikationsnummer (sofern vorhanden), Anschrift und etwaiges Verwandtschafts- oder Schwägerschaftsverhältnis zum Erblasser. Ebenso ist der Erblasser genau zu bezeichnen. Auch...