A. Systematik
Rz. 1
§ 307 BGB ist das Kernstück des AGB-Rechts und hat zu einer Flut von Urteilen (anknüpfend an die Urteile zu § 9 AGBG) geführt, die im Einzelnen unter den Stichworten dargestellt werden. Zum Teil wird davon ausgegangen, dass die Norm drei Regelungskomplexe umfasse, die Generalklausel für die Inhaltskontrolle (Abs. 1 und 2), die Schranken der Inhaltskontrolle (Abs. 3) und das Transparenzgebot (Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 2). Hiermit oder mit einer Aufspaltung auf vier Komplexe (indem die Abs. 1 und 2 noch getrennt werden) ist jedoch wenig gewonnen. § 307 BGB dient vielmehr einheitlich dazu, einseitig in Anspruch genommene und unangemessene oder missverständliche Vertragsgestaltungsfreiheit zu begrenzen und den Verwender wieder in die Werteordnung des Rechts zurückzuführen, indem unwirksame und intransparente Klauseln entfallen, damit an deren Stelle die gesetzliche Regelung tritt.
Rz. 2
Kurzum: der Rechtsverkehr soll von unangemessenen und intransparenten Klauseln freigehalten werden (siehe auch Vor § 305 BGB Rdn 2).
Rz. 3
Hierfür stellt das Gesetz die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB als Generalklausel in den Vordergrund. Diese wird konkretisiert in Abs. 2 und weiterhin konkretisiert im Transparenzgebot. Sodann folgt der Katalog des § 308 BGB (Klauseln mit Wertungsmöglichkeiten) und § 309 BGB (Klauseln ohne Wertungsmöglichkeiten), ebenfalls Konkretisierungen der Generalklausel für den Rechtsverkehr mit Verbrauchern, § 310 Abs. 1 BGB. Die Systematik vom Generellen zum Besonderen ist in der Praxis zumeist umzukehren: Zunächst sind die Klauselkataloge zu prüfen, sodann § 307 Abs. 2 BGB und schließlich § 307 Abs. 1 BGB, wobei das Transparenzgebot eine gewisse übergeordnete Funktion besitzt und ggf. sogar in der Prüfung vorangestellt werden muss.
Rz. 4
Wird eine Klausel von den Klauselkatalogen nicht erfasst, so schließt dies eine Inhaltskontrolle nach § 307 nicht aus. So hat der BGH eine Klausel, die § 309 Nr. 13 aF entsprochen hat an § 307 BGB überprüft. Der Ausschluss elektronischer Form für die Kündigung war hiernach unwirksam.
Rz. 5
Umgekehrt: Im kaufmännischen Verkehr kann die Anwendung des § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB dazu führen, dass eine Unwirksamkeit von Klauseln nach dem Klauselkatalog erfolgt, § 310 Abs. 1 S. 2 BGB.
Rz. 6
Fällt eine Klausel bei Verwendung gegenüber Verbrauchern unter § 309 BGB, so ist dies ein Indiz dafür, dass sie auch im Falle der Verwendung gegenüber Unternehmern zu einer unangemessenen Benachteiligung führt, es sei denn, sie kann wegen der besonderen Interessen und Bedürfnisse des unternehmerischen Geschäftsverkehrs ausnahmsweise als angemessen angesehen werden.
Rz. 7
Freizeichnungen für die Verletzung des Lebens, des Körpers und der Gesundheit sind auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr unwirksam. Auch die Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit kann nicht ausgeschlossen werden.
Rz. 8
Nunmehr hat der BGH klargestellt, wann ein Selbstständiger als Unternehmer und wann als Verbraucher anzusehen ist. Kann ein Freiberufler, etwa ein Rechtsanwalt, sowohl als Unternehmer wie auch als Verbraucher am Rechtsverkehr teilnehmen, so ist dieser nur dann nicht als Verbraucher anzusehen, wenn dieses Handeln eindeutig und zweifelsfrei der gewerblichen Tätigkeit zuzurechnen ist. Dies ist dann der Fall, wenn das Rechtsgeschäft objektiv in Ausübung der selbstständigen oder gewerblichen Tätigkeit abgeschlossen wird, § 14 BGB, oder wenn dies dem Vertragspartner zweifelsfrei zu erkennen gegeben wird. Kauft eine Rechtsanwältin Lampen für die Privatwohnung, so kann auch bei Lieferung an die Kanzleiadresse ein Verbrauchergeschäft vorliegen, sofern die Bestellerin nicht als Rechtsanwältin auftritt, denn sie kann ja in der angegebenen Kanzlei auch als Bürokraft oder Kanzleiangestellte tätig sein.
Rz. 9
Hinzuweisen ist ergänzend darauf, dass die steuerrechtliche Anerkennung als Betriebsausgabe nicht deckungsgleich sein muss zur zivilrechtlichen Beurteilung.
Rz. 10
Zum Teil wurde eine Reform (Liberalisierung) des AGB-Rechts im Unternehmensverkehr gefordert. Dies ist abzulehnen, weil dann die Schere zum Verbraucher noch weiter aufklafft und der Vertragspartner eines Verbrauchers unverhältnismäßig belastet wird.
Rz. 11
Das Transparenzgebot ist bereits vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz als Bestandteil des § 9 AGBG angesehen worden und wurde erst durch dieses ausdrücklich in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB aufgenommen. Es wird bereits vom Wortlaut als Ausprägung der Unangemessenheit benannt ("Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben …"). Ist eine Klausel etwa so gestaltet, dass diese geeignet ist, den Kunden von der Geltendmachung seiner berechtigten Ansprüche abzuhalten, so wird deutlich, dass die fehlende Transparenz eine Ausprägung der Unangemessenheit ist; Gleiches gilt jedoch auch, wenn Preise und Leistungen nicht klar und präzise geregelt sind. Das Abweichen von der gesetzlichen Regelung ergibt sich hier aus der Rechtsgeschäftslehre. §§ 145 ff. BGB verlang...