1 Leitsatz
Grundsätzlich ist das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung eines bloßen Vorbereitungsbeschlusses zu verneinen. Etwas anderes gilt ausnahmsweise aber dann, wenn der geltend gemachte Anspruch offensichtlich nicht besteht.
2 Normenkette
§ 19 Abs. 1 WEG
3 Das Problem
Nach § 5 Abs. 2 der Gemeinschaftsordnung (GO) ist dem jeweiligen Eigentümer der Einheit Nr. 11 das Recht eingeräumt, auf seine Kosten in die Fläche des Dachs Loggien, Dachgauben und Dachfenster nach seiner Wahl einzubauen. Im Jahr 2016 vereinbaren die Wohnungseigentümer, dass für die Dachflächen und Dachteile, die nicht zu den in § 5 Abs. 2 GO genannten Bauten gehören, für Instandhaltung und Instandsetzung sowie die damit verbundenen Kosten die allgemeinen Regeln der Gemeinschaftsordnung angewendet werden sollen (= der "Bauherr" trägt alle Kosten). Wohnungseigentümer K ist seit 2017 Eigentümer der Wohnung Nr. 11. Im Jahr 2018 werden im Bereich des Sondereigentums des K die Dachgauben auf Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer repariert. Im Jahr 2019 beschließen die Wohnungseigentümer gegen K eine Leistungsklage zu erheben, um die Erstattung des Betrags i. H. v. 4.168,56 EUR für die Reparaturen zu verlangen. Gegen diesen Beschluss geht K vor.
Er meint, er sei aufgrund der Vereinbarung aus dem Jahr 2016 nicht verpflichtet, die Kosten allein zu tragen.
4 Die Entscheidung
Dies sieht das LG auch so! Die Beklagten würden sich erfolglos auf die Vereinbarung aus dem Jahr 2016 berufen. Denn der Wortlaut der Änderung sei klar und eindeutig ("die nicht zu den in § 5 Abs. 2 GO genannten Bauten gehören"). Der Beschluss widerspreche damit ordnungsmäßiger Verwaltung und sei für ungültig zu erklären. Es handele sich zwar um einen so genannten Vorbereitungsbeschluss, da sich sein Regelungsgehalt in der Vorbereitung eines gerichtlichen Verfahrens, in dessen Rahmen die Berechtigung des Anspruchs geprüft werde, erschöpfe. Und grundsätzlich sei das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung eines Vorbereitungsbeschlusses zu verneinen. Ausnahmsweise sei das Rechtsschutzbedürfnis jedoch zu bejahen, wenn der geltend gemachte Anspruch offensichtlich nicht bestehe. Dieser Fall liege vor.
5 Hinweis
Für die Anfechtung eines "Aufforderungsbeschlusses" (Beispiel: Wohnungseigentümer E soll bis zum … Folgendes tun …) soll es nach Ansicht von AG Bonn, Urteil v. 17.1.2019, 27 C 111/18, in der Regel an einem Rechtsschutzinteresse fehlen. Der "Aufforderungsbeschluss" treffe keine Regelung und gebe lediglich eine Meinungskundgebung der Miteigentümer wieder (das stimmt). Ein Aufforderungsbeschluss schaffe auch keinen unmittelbaren Anspruchsgrund gegenüber dem betroffenen Eigentümer (das stimmt auch: dann wäre er nichtig). Ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe daher nur dann, wenn ein Anspruch der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer unter jedem tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkt ausgeschlossen erscheine. Ob dieses Fazit stimmt, ist zweifelhaft (etwa BGH, Urteil v. 15.1.2010, V ZR 72/09, Rn. 7, auf den das AG verweist, lässt sich das nicht entnehmen), aber für den Fall unerheblich. Denn es liegt gar kein "Aufforderungsbeschluss" vor. Die Wohnungseigentümer hatten die Entscheidung getroffen, gegen K eine Klage zu erheben. Der Verwalter war danach aufgefordert, namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Anwaltsvertrag zu schließen oder selbst gegen K vorzugehen. Gegen diesen Vertragsschluss und gegen die beabsichtigte Führung eines Rechtsstreits kann man stets vorgehen.
6 Entscheidung
LG Köln, Urteil v. 22.4.2021, 29 S 143/20