Leitsatz
1. Einem Mieter, der auf eine Kündigung wegen eines vorgetäuschten Eigenbedarfs hin auszieht, stehen Schadensersatzansprüche wegen unberechtigter Kündigung auch dann zu, wenn die Kündigung zwar formell unwirksam ist, der Vermieter ihm den Eigenbedarf aber schlüssig dargetan und er keine Veranlassung hatte, die Angaben des Vermieters in Zweifel zu ziehen.
2. Darf der Mieter das Räumungsverlangen des Vermieters materiell für berechtigt halten, wird sein Schadensersatzanspruch nicht dadurch ausgeschlossen, dass er – in der Vorstellung, zur Räumung des Mietobjekts verpflichtet zu sein – sich mit dem Vermieter auf eine einvernehmliche Beendigung des Mietverhältnisses einigt.
(amtliche Leitsätze des BGH)
Normenkette
BGB §§ 123, 573 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 S. 1
Kommentar
Zwischen den Parteien besteht ein Mietvertrag über ein in Berlin gelegenes Einfamilienhaus. Die Vermieter haben das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs gekündigt. Das Kündigungsschreiben enthielt allerdings keine Angaben zum berechtigten Interesse an der Vertragsbeendigung.
In der Folgezeit haben die Vermieter den Mietern mitgeteilt, dass sie ihren bisherigen Wohnsitz in den USA aufgeben, nach Deutschland zurückkehren und in ihrem Haus wohnen wollen. Daraufhin schlossen die Mieter mit den Vermietern am 4.10.2002 einen Mietaufhebungsvertrag. Am 16.10.2002 gaben sie das Haus an die Vermieter zurück.
Am 9.11.2002 wurde das Anwesen über einen Makler zum Verkauf angeboten. Die Mieter erklärten daraufhin die Anfechtung des Aufhebungsvertrags. Sie nehmen nunmehr die Vermieter auf Schadensersatz wegen der Vortäuschung von Eigenbedarf in Anspruch. Das Kammergericht hat die Klage abgewiesen, weil die Kündigung mangels Angabe von Gründen unwirksam gewesen sei und für die Mieter kein Anlass zum Abschluss des Aufhebungsvertrags bestanden habe.
Der BGH hat das Urteil aufgehoben. Er führt aus, dass dem Mieter ein Schadensersatzanspruch zusteht, wenn der Vermieter schuldhaft wegen eines in Wirklichkeit nicht bestehenden Eigenbedarfs kündigt. Gleiches gilt, wenn der Mieter – wie hier – nach Ausspruch einer vorgetäuschten Kündigung mit dem Vermieter einen Mietaufhebungsvertrag abschließt, weil er von der Richtigkeit der Angaben des Vermieters zum Kündigungsgrund überzeugt ist. Es spielt keine Rolle, ob das Kündigungsschreiben formell wirksam ist. Maßgeblich ist allein, dass der Mieter das Räumungsverlangen materiell für gerechtfertigt ansieht.
Anders ist die Rechtslage, wenn der Abschluss des Aufhebungsvertrags "auf der freien Willensentscheidung" des Mieters beruht. Ein solcher Fall ist anzunehmen, wenn der Mieter auf jeden Fall – ohne Rücksicht auf das Bestehen des Eigenbedarfs – ausziehen will. Da vorliegend nicht feststand, ob der Eigenbedarf vorgeschoben war und ob der Aufhebungsvertrag auf einer freien Willensentscheidung der Mieter beruhte, hat der BGH die Sache an das KG zurückverwiesen.
Die Entscheidung ist für alle Fälle von Bedeutung, in denen der Mieter aufgrund eines vom Vermieter schuldhaft vorgetäuschten Eigenbedarfs räumt. Eine solche Kündigung ist materiell unwirksam. Dem Mieter steht ein Schadensersatzanspruch wegen einer Pflichtverletzung zu (§ 280 Abs. 1 BGB). Räumt der Mieter, obwohl die Kündigung erkennbar (auch) formell unwirksam ist, so fällt dem Mieter kein Mitverschulden zur Last, wenn er aufgrund anderweitiger Erklärungen des Vermieters von der Richtigkeit des Kündigungsgrunds überzeugt ist. Der Abschluss eines Mietaufhebungsvertrags nach Zugang der Kündigungserklärung ändert an dieser Rechtsfolge grundsätzlich nichts. Eine Anfechtung des Aufhebungsvertrags ist nicht erforderlich.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 08.04.2009, VIII ZR 231/07BGH, Urteil v. 8.4.2009, VIII ZR 231/07, NJW 2009, 2059 m. Anm. Blank, jurisPR-MietR 13/2009 Anm. 4