1.3.1 Der Verkauf an beliebige Dritte
Der Vorkaufsfall tritt ein, wenn der Kaufvertrag wirksam zustande gekommen ist.
Gesamte Wohnung muss verkauft werden
Daraus folgt, dass eine rein interne Änderung zwischen Miteigentumsberechtigten (z. B. ein Miteigentümer erwirbt den Anteil des anderen Miteigentümers) kein Vorkaufsrecht auslöst. Diese Konstellation ist relativ häufig bei Trennung/Scheidung.
Dies ist erst der Fall, wenn alle für die Wirksamkeit des Vertrags erforderlichen Genehmigungen vorliegen.
Vertragsaufhebung möglich
Bis zu diesem Zeitpunkt können Verkäufer und Käufer den Kaufvertrag willkürlich aufheben; der Vorkaufsberechtigte hat keinen Anspruch auf den Eintritt des Vorkaufsfalls.
Liegt jedoch ein wirksamer Kaufvertrag vor, so kann das Vorkaufsrecht ausgeübt werden. Dies gilt auch dann, wenn ein wirksamer Kaufvertrag vor Ausübung des Vorkaufsrechts aufgehoben wird. Spätere Veränderungen lassen das Vorkaufsrecht grundsätzlich unberührt. Dem Vermieter ist es zwar unbenommen, mit dem Käufer ein Rücktrittsrecht (etwa für den Fall der Ausübung des Vorkaufsrechts) zu vereinbaren. Das Vorkaufsrecht bleibt aber auch dann bestehen, wenn eine der Kaufvertragsparteien von dem Rücktrittsrecht Gebrauch macht.
Kaufvertrag wird aufgehoben
Gleiches gilt, wenn die Kaufvertragsparteien den Kaufvertrag wieder aufheben; eine solche Vereinbarung wirkt nur zwischen den Kaufvertragsparteien, nicht gegenüber dem Mieter.
Bei der Anfechtung ist zu unterscheiden:
- Wird die Anfechtung vom Käufer erklärt, so bleibt das Vorkaufsrecht entgegen § 142 BGB unberührt, weil die Annahme der rückwirkenden Vernichtung des Kaufvertrags im Hinblick auf die Belange des Vorkaufsberechtigten einerseits und des Verkäufers andererseits nicht geboten ist.
- Anders ist es, wenn der Verkäufer zur Anfechtung berechtigt ist: In diesem Fall wird seine Bindung an den Kaufvertrag – und damit das Vorkaufsrecht des Mieters – beseitigt.
Ausnahmen
Beim Erwerb in der Zwangsversteigerung oder beim Verkauf durch den Insolvenzverwalter kommt das Vorkaufsrecht nicht zum Zuge.
Gleiches gilt für Erbteilkäufe zwischen künftigen gesetzlichen Erben und für den Tausch oder die Schenkung.
1.3.2 Der Verkauf an Hausstands- oder Familienangehörige
Das Vorkaufsrecht ist ausgeschlossen, wenn der Vermieter die Wohnräume an eine zu seinem Hausstand gehörende Person oder an einen Familienangehörigen verkauft. Der Begriff des Hausstands- und Familienangehörigen ist dem § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB nachgebildet, der die Voraussetzungen der Eigenbedarfskündigung regelt. Dort ist umstritten, wie der Begriff des Familienangehörigen auszulegen ist.
Die h. M. unterscheidet zwischen den engen Familienangehörigen und denjenigen, die mit dem Vermieter nur weitläufig verwandt oder verschwägert sind.
Differenzierung bei Familienangehörigen
Bei den engen Familienangehörigen genügt die Tatsache der Verwandtschaft; bezüglich der entfernteren Angehörigen wird gefordert, dass der Vermieter gegenüber dem Angehörigen rechtlich oder moralisch zur Unterhaltsgewährung oder sonstiger Fürsorge verpflichtet ist.
Die für die Eigenbedarfskündigung maßgeblichen Erwägungen gelten auch für das Vorkaufsrecht, weil die jeweilige Interessenbewertung identisch ist. In der Vorschrift des § 573 BGB kommt zum Ausdruck, dass das Interesse des Mieters an der Wohnung geringer bewertet wird als das Interesse bestimmter (privilegierter) Angehöriger des Vermieters. Für § 577 BGB gilt das Gleiche: Das Vorkaufsrecht gilt nicht, wenn ein privilegierter Angehöriger die Wohnung erwerben will; ist der Angehörige nicht privilegiert, weil er nur entfernt mit dem Vermieter verwandt ist, so ist das Erwerbsinteresse des Mieters vorrangig.
1.3.3 Kaufähnliche Verträge
Fraglich ist, ob § 577 BGB analog auf einen Auseinandersetzungsvertrag zwischen den Gesellschaftern einer Personengesellschaft (GbR, KG, OHG) angewandt werden kann. Die Frage stellt sich dann, wenn ein im Eigentum der Gesellschaft stehendes Gebäude gem. § 8 WEG aufgeteilt wird und die Gesellschafter im Anschluss hieran einen notariellen Vertrag schließen, durch den die jeweiligen Wohnungen den einzelnen Gesellschaftern zugewiesen werden. Hier ergibt sich das Problem, ob dem Mieter ein Vorkaufsrecht zusteht, wenn der Mietvertrag vor der Aufteilung abgeschlossen wurde.
GbR und OHG/KG unterscheiden
Nach der Rechtsprechung des BGH ist zwischen der GbR und der Personenhandelsgesellschaft zu unterscheiden.
BGB-Gesellschaft (GbR)
Eine GbR ist generell wie eine Vermietermehrheit zu behandeln. Hier ist § 577 BGB anzuwenden.
OHG, KG
Für eine Personenhandelsgesellschaft gilt etwas anderes. Hier ist die Kündigung zugunsten eines Gesellschafters ausgeschlossen. In diesen Fällen steht dem Mieter kein Vorkaufsrecht zu; eine analoge Anwendung des § 577 BGB scheidet ebenfalls aus, weil das Vorkaufsrecht voraussetzt, dass ...