1 Einführung
Nach § 614 BGB ist die Vergütung erst nach der Leistung der Dienste zu entrichten. Ist die Vergütung nach Zeitabschnitten bemessen, so ist sie nach dem Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten. Der Arbeitnehmer geht also mit der Erbringung seiner Dienste in Vorleistung, die Vergütung hierfür wird erst nach der erbrachten Leistung fällig. Üblicherweise wird das Gehalt monatsweise ausgezahlt, sodass der Arbeitnehmer jeweils zum Ende des Monats oder zum Beginn des folgenden Monats seine Vergütung erhält.
Die Zahlung eines Vorschusses dient in aller Regel dazu, den Arbeitnehmer bei der Zahlung größerer (unvorhergesehener) Ausgaben bezüglich seiner Lebensführung zu unterstützen. Der Arbeitnehmer erhält durch den Vorschuss kurzfristig Liquidität.
2 Vertragliche Vereinbarung
Solange der Arbeitslohn nicht fällig ist, besteht grundsätzlich kein Anspruch auf einen Vorschuss. Ausnahmen hiervon gelten, soweit die Parteien etwas anderes vereinbart haben, oder sich aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ein Anspruch ergibt.
Beim Vorschuss müssen sich beide Vertragspartner bei der Auszahlung darüber einig sein, dass es sich um einen Vorschuss handelt, der bei Fälligkeit der Forderung verrechnet wird. Der Arbeitgeber muss eine Vorschusszahlung ausdrücklich als solche kennzeichnen, denn im Streitfall hat der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, dass eine Zahlung als Vorschuss erfolgt ist.
Höhe des Vorschusses
Die Höhe des Vorschusses ist reine Verhandlungssache zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Werden Vorschüsse gezahlt, die ein Nettomonatsgehalt überschreiten, umfasst die Vorschussvereinbarung grundsätzlich die Verpflichtung zur Rückzahlung überzahlter Beträge, die von dem später abgerechneten Lohn nicht gedeckt sind. Die Rückabwicklung erfolgt über die §§ 326 Abs. 4, 346 BGB, sodass sich der Arbeitnehmer nicht mehr auf eine Entreicherung berufen kann.
3 Abgrenzung zu Abschlagszahlung und Darlehen
Während Lohnvorschüsse auf demnächst fällige Lohnansprüche gezahlt werden, sind Abschlagszahlungen Zahlungen auf bereits fällige Ansprüche, deren Abrechnung hinausgeschoben wird. Lohnvorschüssen und Abschlagszahlungen ist gemeinsam, dass mit ihnen der Lohnanspruch des Arbeitnehmers noch nicht vollständig erfüllt ist, weil er noch nicht abgerechnet ist. Ein Lohnvorschuss ist kein Darlehen, sondern vorweggenommene Lohnzahlung. Ein Arbeitgeberdarlehen ist anzunehmen, wenn ein den fälligen Lohn erheblich übersteigender Betrag vom Arbeitgeber gegeben wird zu einem Zweck, der mit dem normalen Lohn nicht oder nicht sofort erreichbar ist. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, den Lohnvorschuss in ein Arbeitgeberdarlehen umzuwandeln.
4 Vorschuss und Gehaltspfändung
Lohnvorschüsse sind auf den unpfändbaren Teil des später fällig werdenden Lohns anzurechnen. Der pfändbare Teil der Vergütung bestimmt sich nach dem Betrag der ursprünglichen Schuld, sodass für seine Berechnung die vor der Pfändung geleisteten Vorschusszahlungen einzubeziehen sind, weil der Lohnanspruch erst erfüllt ist, wenn gezahlt und abgerechnet ist.
Wird ein Vorschuss in ein Arbeitgeberdarlehen umgewandelt, so sind für die Rückzahlungsraten die Pfändungsfreigrenzen einzuhalten. Besteht eine Rückzahlungsvereinbarung nicht, hängt die Fälligkeit der Rückzahlung von einer Kündigung ab.
5 Aktuelle Entwicklung – Flexible Pay
In der Arbeitswelt hat größere Flexibilität zunehmend an Bedeutung gewonnen – bspw. mit flexiblen Arbeitszeitmodellen und der Einführung von Homeoffice und mobiler Arbeit. Nun wird auch das starre Gehaltsauszahlungsgefüge immer häufiger aufgebrochen. In Deutschland ist es nach wie vor die Regel, dass Arbeitsverträge dem gesetzlichen Leitbild des § 614 BGB folgen, wonach der Arbeitnehmer mit der Erbringung seiner Arbeit in Vorleistung geht und die Festvergütung jeweils nachträglich zum Monatsende fällig und ausgezahlt wird.
Der aus den USA und Großbritannien stammende Trend für ein Abweichen hiervon nennt sich Flexible Pay bzw. Earned Wage Access. Gemeint ist hiermit, dass Arbeitnehmer bereits vor dem Monatsende Teile ihres monatlichen Gehalts beim Arbeitgeber abrufen können. Beim klassischen Vorschuss wird eine Zahlung auf noch nicht geleistete Arbeit und noch nicht fällige Ansprüche gezahlt. Beim Flexible Pay hingegen greift der Arbeitnehmer auf Entgeltbestandteile zu, für die er seine Arbeitsleistung bereits erbracht hat. Es besteht eine Vielzahl an Ausgestaltungsmöglichkeiten.
Vertragliche Vereinbarungen
Wenn der Arbeitsvertrag keine ausdrückliche Fälligkeitsregelung enthält und auch keine gesetzlichen Sondervorschriften zur Fälligkeit eingreifen, gilt die gesetzliche Regelung des § 614 BGB. Dieser ist abdingbar, d. h. es kann durch vertragliche Vereinbarung hiervon abgewichen werden.
Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollten dabei nicht nur klarstellen, dass bereits vor dem gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt (Monatsende) auf die Vergütung zugegriffen werden kann. Sie müssen auch ko...