Zusammenfassung
Klimaschutz wird für Verbraucher immer wichtiger. Besonders die Bezeichnung "klimaneutral" kann die Kaufentscheidung erheblich beeinflussen. Dabei ist die Grenze zwischen zulässiger Werbung und unlauterem "Greenwashing" fließend, was ein aktuelles Urteil des OLG Frankfurt/M. anschaulich darstellt.
Kurzwiedergabe des Sachverhaltes
In dem vom OLG Frankfurt/M. entschiedenen Fall ging es um einen Hersteller ökologischer Wasch- und Reinigungsmittel. Das Unternehmen warb u. a. mit dem Gütesiegel einer Zertifizierungsstelle, das die Klimaneutralität des Unternehmens attestierte. Durch einen Klick auf das Logo gelangte man auf eine Unterwebseite, auf der die Zertifizierung näher erläutert wurde. Das Problem lag im Wesentlichen darin, dass die Zertifizierungsstelle zu einer bestimmten Art von Emissionen ("Scope 3-Emissionen") lediglich Empfehlungen gab. Ob diese tatsächlich berücksichtigt oder welche dieser Emissionen ausgeklammert worden sind, gab das beklagte Unternehmen jedoch nicht an. Ein Wettbewerber hielt dies für irreführend und verlangte daher, die Werbung mit dem Siegel "klimaneutral" zu unterlassen. Während das Landgericht die Eilanträge des Wettbewerbers noch zurückgewiesen hatte, gab das OLG Frankfurt/M. ihm in der Berufung teilweise Recht.
Bei irreführender Werbung stellt sich stets die Vorfrage nach dem maßgeblichen Personenkreis, der durch die Werbung angesprochen wird. Richtet sich Werbung etwa an Experten, kann ein anderes Vorwissen erwartet werden als bei einem Durchschnittsverbraucher. Das Landgericht hatte die Eilanträge in erster Instanz u. a. deshalb zurückgewiesen, weil es annahm, dass sich die Werbung an Biomarkt-Käufer richte, die dem Gericht zufolge informierter und gebildeter als der Durchschnittsverbraucher seien. Dieser Annahme widersprach das OLG und stellte fest, dass Biomarktkäufer kein klar abgrenzbarer Verkehrskreis seien. Schließlich kauften die meisten Personen nicht immer oder nie in Biomärkten ein, sondern seien eher Gelegenheitskäufer. Für die Beurteilung, ob das Siegel "klimaneutral" irreführend ist, komme es daher lediglich auf das Verständnis des allgemeinen Durchschnittsverbrauchers i. S. v. § 3 Abs. 4 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) an.
Das OLG stellte zudem fest, dass der Begriff "klimaneutral" für den Durchschnittsverbraucher aus sich heraus verständlich sei und im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO2-Emissionen – etwa durch Kompensation oder Erwerb von CO2-Zertifikaten – aufgefasst werden müsse. Insbesondere sei der Begriff "klimaneutral" nicht als "emissionsfrei" zu verstehen, wie es noch etwa das LG Oldenburg (Urteil v. 16.12.2021,15 O 1469/21) annahm. Damit schloss sich das OLG Frankfurt/M. der Linie des OLG Schleswig an (Urteil v. 30.6.2022, 6 U 46/21). Für den Verbraucher müsse zudem erkennbar sein, ob sich die Klimaneutralität auf das Unternehmen, die angebotenen Produkte oder beides beziehe. Das Gericht hat zutreffend die erhebliche Bedeutung von Gütesiegeln für die Kaufentscheidung von Verbrauchern hervorgehoben.
Aufklärungspflichten
Das OLG Frankfurt/M. konkretisierte nun erstmals, wie weit die Aufklärungspflichten bei der Werbung mit dem Begriff "Klimaneutralität" reichen. Eine Aufklärung sei zunächst darüber erforderlich, ob die "Klimaneutralität" ganz oder teilweise durch Einsparungen oder lediglich durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werde. Bei einem Unternehmen, das sich als "klimaneutral" bezeichnet, werde nicht davon ausgegangen, dass diese "Klimaneutralität" alleine auf den Kompensationsmaßnahmen Dritter beruhe. Aus Verbrauchersicht wecke ein solches Vorgehen den Verdacht des sog. "Greenwashing" und diene nicht wirklich der Verbesserung des Klimaschutzes, so das OLG Frankfurt/M. Des Weiteren müsse darüber aufgeklärt werden, ob bestimmte Emissionen von der Bilanzierung ausgenommen werden. Verwendet ein Unternehmen ein Gütesiegel, müsse zudem eine Aufklärung darüber erfolgen, anhand welcher Kriterien es geprüft werde.
Eine darüber hinausgehende Aufklärung sei jedoch nicht erforderlich. So würde der Verbraucher detaillierte Informationen, etwa über den Gegenstand des zur Kompensation unterstützten Klimaprojekts, jedenfalls bei der Anschaffung geringwertiger Alltagsgegenstände bei seiner Kaufentscheidung nicht berücksichtigen. Die Einzelheiten der Zertifizierungsentscheidung seien für den Verbraucher regelmäßig nicht von Interesse.
Wurden diese Aufklärungspflichten im konkreten Fall erfüllt?
Die Abbildung des Siegels "Klimaneutral – Unternehmen" in der Fußzeile der Website bedurfte keiner unmittelbaren Aufklärung. Bei der Beurteilung, ob wesentliche Informationen vorenthalten werden, sind nämlich die räumlichen Beschränkungen durch das gewählte Kommunikationsmittel zu berücksichtigen (§ 5a Abs. 3 UWG). Hinweise unter dem Gütesiegel seien weder auf benutzerfreundlicher Weise lesbar gewesen noch würde ein Verbraucher sie dort erwarten. Vielmehr genüge es, auf eine Website zu v...