Leitsatz
Eine allein mit dem Ziel der Gründung einer Kapitalgesellschaft errichtete Personengesellschaft ist zum Abzug der Vorsteuer für den Bezug von Dienstleistungen und Gegenständen berechtigt, wenn entsprechend ihrem Gesellschaftszweck ihr einziger Ausgangsumsatz die Übertragung der bezogenen Leistungen mittels eines Aktes gegen Entgelt an die Kapitalgesellschaft nach deren Gründung war und wenn, weil der betreffende Mitgliedstaat von der in den Artikeln 5 Absatz 8 und 6 Absatz 5 der 6. EG-RL vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Übertragung des Gesamtvermögens so behandelt wird, als ob keine Lieferung oder Dienstleistung vorliegt.
Normenkette
Normenkette: Art. 28 Abs. 3 Buchst. e der 6. EG-RL , Art. 5 Abs. 8 der 6. EG-RL (§ 1 Abs. 1a UStG)
Sachverhalt
Faxworld, 1996 mit dem Zweck, die Gründung der Fa. F-AG vorzubereiten, gegründet, bezog verschiedene Lieferungen und Leistungen (Büromiete, Werbungsaufwand, Kauf von Anlagegütern etc.). Sie stellte nach Gründung der AG ihre Tätigkeit ein und übertrug in Erfüllung ihres Gesellschaftszwecks ihre gesamten zuvor erworbenen Gegenstände. Eigene Umsätze – außer der Übertragung ihres Vermögens auf die AG – waren nie beabsichtigt.
Entscheidung
Der EuGH entschied wie im Leitsatz wiedergegeben.
Hinweis
Der BFH hatte mit Beschluss vom 23.1.2002, V R 84/99, BFH-PR 2002, 264 dem EuGH die Frage vorgelegt, ob eine Vorgründungsgesellschaft, die von vornherein nur die Absicht hat, die Tätigkeit einer AG soweit vorzubereiten, dass diese ihre Tätigkeit aufnehmen konnte, und selbst nicht beabsichtigt, selbst Ausgangsumsätze mit Ausnahme der Übertragung der zur Vorbereitung der Tätigkeit der AG bezogenen Eingangsleistungen auf die AG auszuführen und auch nicht ausführt, die Vorsteuer für die Eingangsleistungen abziehen kann. Zweifelhaft war dies allein deshalb, weil nach deutschem Recht die von der Vorgründungsgesellschaft deren Vermögensgegenstände, Rechte und Pflichten mit der Gründung der AG nicht ohne weiteres auf diese übergehen, sondern durch besonderes Rechtsgeschäft auf sie übertragen werden müssen. Diese Übertragung erfüllt aber die Voraussetzungen einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung, so dass es schon an der Absicht, steuerpflichtige Umsätze auszuführen, fehlt.
Dennoch sind die Vorsteuerbeträge abziehbar:
- Steuerpflichtiger/Unternehmer ist, wer Gegenstände für Zwecke seiner wirtschaftlichen Tätigkeit erwirbt, auch dann, wenn er diese Gegenstände nicht sofort dafür verwendet und unabhängig von der Identität des Unternehmers (Rz. 28).
- Allein der Umstand, dass ein Mitgliedstaat – wie im UStG in § 1 Abs. 1a – von der Möglichkeit Gebrauch macht, die Geschäftsveräußerung als nichtsteuerbar zu behandeln, rechtfertigt nicht, diesen Vorgang (Geschäftsveräußerung) bei der Beurteilung der Frage, ob eine wirtschaftliche/unternehmerische Tätigkeit beabsichtigt oder ausgeführt wird, außer Acht zu lassen (Rz. 29).
- Der Unternehmer soll durch die Regelung über den Vorsteuerabzug vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten und entrichteten Vorsteuer entlastet werden (sog. Neutralitätsgrundsatz). Ausnahmen davon sind nur zulässig, wenn die Richtlinie das ausdrücklich erlaubt (Rz. 37).
- Kosten für die Geschäftsveräußerung (vgl. § 1 Abs. 1a UStG) gehören – ebenso wie die im Zusammenhang mit der Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit anfallenden Kosten – zu den Gemeinkosten (Rz. 39).
- Führt der Begünstigte der Übertragung (der nach § 1 Abs. 1a UStG als Rechtsnachfolger des Übertragenden angesehen wird) steuerpflichtige Umsätze aus, so steht dem Übertragenden – nicht dem Begünstigten – der Anspruch auf Erstattung der für die Vorbereitung der späteren Geschäftstätigkeit des Begünstigten und für die Übertragung des Vermögens auf diesen angefallenen Vorsteuerbeträge zu.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 29.4.2004, Rs. C-137/02 – Faxworld Vorgründungsgesellschaft GbR