Sachverhalt
Bei dem Verfahren ging es um die Auslegung der Art. 168 Buchst. a, 65, 90, 185 und 205 MwStSystRL. Streitig war die Berichtigung des Vorsteuerabzugs aus einer Vorauszahlung wegen fehlender Erbringung der vorausbezahlten Leistung. Zum anderen ging es um die Frage, ob der Vorsteuerabzug wegen gesamtschuldnerischer Haftung für die Entrichtung der MwSt versagt werden kann.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft, die auf dem Gebiet der Herstellung von und des Handels mit Brot und Konditorware tätig ist. Mit einer verbundenen Gesellschaft schloss sie einen Kaufvertrag über die Lieferung von Weizen und machte aus dem im Voraus bezahlten Preis den Vorsteuerabzug geltend. Die Lieferantin entrichtete die auf die Vorauszahlung entrichtete MwSt nicht. Eine Lieferung erfolgte nicht, vielmehr wurde die Lieferantin von Amts wegen abgemeldet. Es erfolgte weder eine Auflösung des Liefervertrages, noch wurde der Vorauszahlungsbetrag mittels einer Gutschrift storniert. Die Steuerbehörden stellten allerdings fest, dass die geleistete Vorauszahlung über einen vermeintlichen Darlehensvertrag und eine zusätzliche Kapitalanlage über verbundene Unternehmen an die Klägerin zurückgeflossen war.
Die Steuerbehörden versagten der Klägerin den Vorsteuerabzug wegen fehlender Leistungserbringung. Auch handele es sich bei dem Liefervertrag um einen Scheinvertrag, und die Klägerin habe gewusst, dass die MwSt unbezahlt bleiben werde. Im Ergebnis machte die Steuerbehörde damit wohl eine - nach dem BG-UStG vorgesehene (und auf Art. 205 MwStSystRL beruhende) - gesamtschuldnerische Inanspruchnahme wegen Mehrwertsteuermissbrauch geltend.
Vor diesem Hintergrund fragte das vorlegende Gericht, ob der Vorsteuerabzug aus einer geleisteten Vorauszahlung in Fällen wie dem des Ausgangsverfahrens wegen fehlender Leistungserbringung zum Zeitpunkt seiner Ausübung versagt werden kann und ob es hierfür von Bedeutung ist, dass eine Rechnungsberichtigung erfolgt. Weiterhin wollte das vorlegende Gericht wissen, ob einem Steuerpflichtigen der Vorsteuerabzug wegen einer auf nationalem Recht beruhenden Inanspruchnahme für Steuerschulden einer anderen Person versagt werden kann. Ferner fragte das Gericht hilfsweise nach der Vereinbarkeit der nationalen Haftungsregelung - insbesondere im Hinblick auf darin formulierten gesetzlichen Vermutungen – mit Art. 205 MwStSystRL.
Entscheidung
Die vom vorlegenden Gericht zur gesamtschuldnerischen Haftung nach Art. 205 MwStSystRL aufgeworfenen Fragen hat der EuGH für unzulässig erklärt, da sie in keinem Zusammenhang zu dem Ausgangsverfahren stünden. Dies entspricht den Schlussanträgen der Generalanwältin Kokott vom 19.12.2013, in denen betont wird, dass das Recht auf Vorsteuerabzug und die gesamtschuldnerische Haftung eines Steuerpflichtigen für die Steuerschuld eines anderen gem. Art. 205 MwStSystRL streng zu trennen sind.
Zur Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug bei einer Anzahlung verweist der EuGH in seinem Urteil zunächst auf seine Rechtsprechung zur Steuerentstehung bei Anzahlungen (Art. 65 MwStSystRL). Danach handelt es sich um eine Ausnahmeregelung, die eng auszulegen ist. Alle maßgeblichen Elemente des Steuertatbestandes – insbesondere die Gegenstände oder Dienstleistungen – müssen zum Zeitpunkt der Anzahlung genau bestimmt sein.
Der Eintritt des Steuertatbestandes sei zum Zeitpunkt der Anzahlung jedoch unsicher und Art. 65 MwStSystRL damit nicht anwendbar, wenn ein betrügerisches Verhalten vorliegt. Hier verweist der EuGH auf seine Rechtsprechung zur Versagung des Vorsteuerabzugs bei Beteiligung an einem MwSt-Betrug und die Prüfungszuständigkeit des vorlegenden Gerichts.
Die grundsätzliche Frage, ob der Vorsteuerabzug aus Anzahlungen gem. Art. 185 Abs. 1 MwStSystRL zu berichtigen ist, wenn die Leistung letztlich nicht bewirkt wird, bejaht - wie bereits die Generalanwältin - auch der EuGH. Dies gelte auch dann, wenn der Lieferer zur Entrichtung der MwSt verpflichtet bleiben sollte und die Anzahlung nicht zurückgezahlt haben sollte.
Nach Urteil gebietet die MwStSystRL keine Gleichbehandlung der beteiligten Wirtschaftsteilnehmer. Zum einen schuldet der Aussteller einer Rechnung die darin ausgewiesene MwSt gem. Art. 203 MwStSystRL auch, wenn kein steuerpflichtiger Umsatz vorliegt. Zum anderen ist die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts nach Art. 63 i.V.m. Art. 167 MwStSystRL auf die Steuern beschränkt, die auf einen steuerpflichtigen Umsatz entfallen. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität werde durch die von den Mitgliedstaaten vorzusehende Möglichkeit der Rechnungsberichtigung gewahrt.
Hinsichtlich der Anzahlungsbesteuerung beim (potentiellen) Leistungserbringer verweist der EuGH darauf, dass die Bemessungsgrundlage nicht nach Art. 65 i.V.m. 90 und 193 MwStSystRL gemindert werden kann, solange die Anzahlung nicht zurückgezahlt worden ist. Die fehlende Berichtigung der geschuldeten MwSt stellt das Recht der Steuerverwaltung auf Rückforderung des Vorsteuerabzugs indes nicht in Frage.
Damit bestätigt der EuGH die Würdig...