Sachverhalt

In dem Verfahren ging es um die Auslegung von Artikel 17 Abs. 2 und Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie. Nach Art. 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie können die Mitgliedstaaten alle Vorsteuerausschlüsse beibehalten, die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Richtlinie in den nationalen Vorschriften vorgesehen waren. Das bedeutet, dass die Mitgliedstaaten nach Umsetzung der Richtlinie in das nationale Recht keine neuen Vorsteuerausschlüsse mehr einführen durften (sog. stand-still-Klausel). Dies gilt auch für alte Vorsteuerausschlüsse, die wieder in Kraft gesetzt werden.

Im vorliegenden Verfahren ging es darum, ob die Klägerin für den Kauf von Kraftstoff für ein Fahrzeug, das sie im Rahmen eines Leasingvertrags geschäftlich nutzte, den Vorsteuerabzug geltend machen konnte. Im Jahr 2005 schloss die Klägerin einen Operate-Leasing-Vertrag für ein Kraftfahrzeug. Die polnischen Beschränkungen für den Abzug der Vorsteuer, die beim Kauf von Kraftstoff nach einer mathematischen Formel berechnet wurde, die im MwSt-Gesetz in seiner zum Zeitpunkt des Abschlusses des Leasingvertrags geltenden Fassung enthalten war, fand auf die Klägerin keine Anwendung. Nach dem Erlass der Neufassung des Art. 86 Abs. 3 des MwSt-Gesetzes in der seit dem 22.8.2005 geltenden Fassung kamen für die Klägerin jedoch die Beschränkungen für den Vorsteuerabzug beim Kauf von Kraftstoff zur Anwendung, da die zulässige Masse des betreffenden Fahrzeugs 3,5 t nicht überstieg. Am 30.8.2005 stellte die Klägerin beim Finanzamt einen Antrag auf Auslegung der Bestimmungen des MwSt-Gesetzes, und zwar in Bezug auf den Umfang und die Beschränkungen des Vorsteuerabzugs beim Kauf von Kraftstoff für das im Rahmen eines Leasingvertrags genutzte Fahrzeug. Die Klägerin machte geltend, dass ihr gemäß Art. 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie das Recht auf Vorsteuerabzug beim Kauf von Kraftstoff für das betreffende Fahrzeug weiterhin gewährt werden müsse. Das Finanzamt lehnte dies ab, was den Rechtsstreit auslöste.

Das Vorlagegericht wollte wissen, ob Art. 17 Abs. 2 und 6 der 6. EG-Richtlinie einen Mitgliedstaat daran hindert, von dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie in seinem Gebiet an die nationalen Vorschriften über die Beschränkungen des Rechts auf Vorsteuerabzug beim Kauf von Kraftstoff für Fahrzeuge, die für eine steuerpflichtige Tätigkeit verwendet werden, in ihrer Gesamtheit aufzuheben, indem er sie durch solche ersetzt, in denen hierzu neue Kriterien festgesetzt werden, und dass der betreffende Mitgliedstaat diese Kriterien in der Folge erneut ändert, und zwar so, dass die erwähnten Beschränkungen ausgeweitet werden.

 

Entscheidung

Unter Bezugnahme auf die Stand-still-Klausel gemäß Artikel 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie hat der EuGH entschieden, dass ein Mitgliedstaat an einer Ausdehnung seiner zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der 6. EG-Richtlinie bestehenden Vorsteuerausschlüsse gehindert ist. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung. Bereits in seiner Entscheidung in der Rechtssache C-345/99 (EuGH, Urteil vom 14.6.2001, C-345/99 (Kommission gegen Französische Republik)) hat der EuGH festgestellt, dass Mitgliedstaaten Vorsteuerausschlüsse gemäß Artikel 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie nach und nach aufheben dürfen. Der umgekehrte Weg hingegen, nämlich die Einführung neuer Vorsteuerausschlüsse, ist nach dem jetzigen Urteil mit Artikel 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie und Artikel 17 Abs. 2 nicht vereinbar. Dies gilt auch für alte Vorsteuerausschlüsse, die im Rahmen einer Neuregelung weiter ausgedehnt werden.

 

Hinweis

Die Entscheidung hat keine unmittelbaren Konsequenzen für das deutsche Umsatzsteuerrecht.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 22.12.2008, C-414/07

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