Sachverhalt
Bei dem rumänischen Vorabentscheidungsersuchen ging es um den Vorsteuerabzug und die Auslegung der Art. 167, 168 und 178 MwStSystRL. Das Vorlagegericht fragte, ob diese Vorschriften und Art. 47 der EU-Grundrechtecharta nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die es den Steuerbehörden, nachdem sie einen Steuerbescheid erlassen haben, mit dem die Anerkennung des Rechts auf Vorsteuerabzug abgelehnt wird, erlauben, die Entscheidung über den Verwaltungsrechtsbehelf bis zum Abschluss eines Strafverfahrens auszusetzen, das zusätzliche objektive Anhaltspunkte für die Beteiligung des Steuerpflichtigen an der Steuerhinterziehung liefern könnte. Weiter fragte das Gericht, ob die Antwort des EuGH auf die vorstehende Frage anders ausfallen könnte, wenn dem Steuerpflichtigen während der Aussetzung der Entscheidung über den Verwaltungsrechtsbehelf vorläufige Maßnahmen gewährt würden, mit denen die Wirkungen der Versagung des Vorsteuerabzugsrechts ausgesetzt werden.
Die Klägerin, die eine unternehmerische Tätigkeit im Bereich des Straßen- und Autobahnbaus ausübt, wurde von einer rumänischen Kreisverwaltung für öffentliche Finanzen für den Zeitraum vom 1.1.2011 – 30.4.2014 umsatzsteuerlich geprüft. Die Behörde stellte mit Steuerprüfungsbericht und Steuerbescheid v. 15.7.2014 fest, dass die materiellen und formellen Voraussetzungen für die Anerkennung des Rechts auf Vorsteuerabzug erfüllt seien, und beanstandete keine Umsätze als fiktiv oder nicht existent. Anfang 2015 eröffnete die Staatsanwaltschaft beim Berufungsgericht Cluj eine strafrechtliche Ermittlungsakte, in der mehrere Personen, darunter der Geschäftsführer der Klägerin, der Steuerhinterziehung beschuldigt wurden. Vor diesem Hintergrund ersuchte die Staatsanwaltschaft die Regionale Generaldirektion für öffentliche Finanzen Cluj-Napoca Anfang 2016 um eine erneute Steuerprüfung bei der Klägerin, da es Beweise dafür gebe, dass diese in der Zeit vom 1.1.2011 – 31.12.2015 bei mehreren Unternehmen fiktive Käufe getätigt habe. Die beantragte erneute Steuerprüfung erfolgte im Oktober 2016 durch eine andere Kreisverwaltung für öffentliche Finanzen und bezog sich ausschließlich auf die MwSt für den Zeitraum vom 1.1.2011 – 30.4.2014. Mit Steuerprüfungsbericht und Steuerbescheid vom 3.11.2016 lehnte diese Behörde die Anerkennung des Rechts auf Vorsteuerabzug für sämtliche Erwerbsvorgänge der Klägerin bei fünf von der Staatsanwaltschaft benannten Unternehmen ab und setzte gegen die Klägerin zusätzliche MwSt fest.
Diese ablehnende Entscheidung stützte sich auf eine Reihe von zuvor festgestellten Unregelmäßigkeiten bei fünf Lieferanten der Klägerin, sodass die Steuerbehörde zu dem Schluss kam, dass ein begründeter Verdacht bestehe, dass die bei diesen fünf Lieferanten der Klägerin getätigten Käufe fiktiv gewesen seien und dass die späteren Lieferungen an die Klägerin keine tatsächliche Grundlage hätten, wodurch künstliche Situationen entstanden seien, um die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die geprüfte Gesellschaft ihre Kosten fiktiv erhöhen und die Vorsteuer abziehen könne, ohne dass ein realer wirtschaftlicher Vorgang zugrunde liege. Unmittelbar nach Erlass dieser Steuerverwaltungsakte erstattete die Steuerbehörde mit Antrag v. 3.11.2016 bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige wegen Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit den untersuchten Umsätzen. Im Übrigen war dieser Sachverhalt bereits Gegenstand der o.g. strafrechtlichen Ermittlungsakte.
Die Rechtsmittel der Klägerin gegen diese Verwaltungsakte waren erfolglos. Die Klägerin trug vor, dass ihr zwar zunächst das Abzugsrecht zuerkannt worden sei, dass später aber im Zusammenhang mit einer von den Strafverfolgungsbehörden ausdrücklich beantragten erneuten Steuerprüfung auf der Grundlage von Beweisen, die auch von diesen Stellen vorgelegt worden seien, davon ausgegangen worden sei, dass die von ihr getätigten Käufe fiktiv gewesen seien. Im Stadium des Einspruchs widersprach die mit der Entscheidung über den Einspruch befasste Behörde dieser Auslegung und wies darauf hin, dass die Steuerprüfungsabteilung nur über Indizien dafür verfügt habe, dass die Käufe der Gesellschaft fiktiv hätten sein können, und dass diese Fragen erst nach endgültiger Erledigung der Strafsache geklärt worden seien. Unter diesen Umständen trug die Klägerin vor, dass sie an der Ausübung ihres Rechts auf Vorsteuerabzug gehindert sei, weil sie eine Voraussetzung – nämlich die Bestätigung des tatsächlichen Vorliegens der Umsätze durch das Strafverfahren – nicht erfülle, die weder in der MwStSystRL noch in der Rechtsprechung des EuGH vorgesehen sei.
Das vorlegende Gericht verwies zunächst auf die Rechtsprechung des EuGH zum Recht auf Vorsteuerabzug, zu den formellen und materiellen Voraussetzungen für die Ausübung dieses Rechts sowie zum Verhältnis zwischen dem Recht auf Vorsteuerabzug und dem in der MwStSystRL vorgesehenen Ziel der Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen. Es wies weiter...