Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Leitsatz
Erhält weder die Gesellschafter noch die Gesellschaft den Vorsteuerabzug für Investitionskosten, die vor Gründung und Eintragung dieser Gesellschaft für die Zwecke und im Hinblick auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Gesellschaft getragen wurden, ist dies europarechtswidrig. Auch darf einer Gesellschaft der Vorsteuerabzug nicht deshalb versagt werden, weil die Rechnung vor Eintragung und mehrwertsteuerlicher Erfassung dieser Gesellschaft auf ihre Gesellschafter ausgestellt wurde.
Sachverhalt
Bei dem polnischen Verfahren erwarben die Gesellschafter einer Handelsgesellschaft ein Grundstück mit Gesteinsvorkommen. Die insoweit ergangene Rechnung wies als Erwerber die beiden Gesellschafter aus. Erst nach Erwerb erfolgte der notariell beurkundete Gesellschaftsvertrag sowie die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister. Die polnische Finanzbehörde versagte der Gesellschaft den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Grundstücks und aus den Notariatskosten, da die Gesellschaft beim Leistungsbezug nicht existent gewesen sei.
Der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer verlangt, dass schon die ersten Investitionsausgaben für die Zwecke eines Unternehmens und zu dessen Verwirklichung als wirtschaftliche Tätigkeiten angesehen werden. Insoweit darf es nicht sein, daß weder die Gesellschafter noch die Gesellschaft den Vorsteuerabzug erhalten.
In dem Ausgangsverfahren sind daher nach Auffassung des EuGH die Gesellschafter der Gesellschaft wirtschaftlich tätig und damit mehrwertsteuerpflichtig geworden. Nicht schädlich ist, daß der einzige Ausgangsumsätze mit der Einbringung des Grundstücks in die Gesellschaft eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung ist (§ 1 Abs. 1a UStG). Somit erhalten aus den o.g. Gründungsinvestitionen die Gesellschafter den Vorsteuerabzug.
Gleiches gilt für eine zur Gründung einer Kapitalgesellschaft errichtete Personengesellschaft (Vorgründungsgesellschaft). Auch hier ist die Vorgründungsgesellschaft zum Abzug der Vorsteuer berechtigt. Maßgebend sind insoweit die beabsichtigten Umsätze der Kapitalgesellschaft (vgl. Abschn. 15.2. Abs. 17 Satz 9 ff. UStAE).
Hinweis
Anders ist die Behandlung von den Gesellschaftern in die spätere Personengesellschaft eingelegte Gegenstände, die die Gesellschafter schon vor der Gründungsphase "privat" erworben hatten. Insofern scheidet sowohl beim Gesellschafter als auch bei der Gesellschaft ein Vorsteuerabzug aus (vgl. Abschn. 1.6. Abs. 2 Satz 4 UStAE).
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil v. 1.3.2012, Rs. C-280/10.