Sachverhalt
Bei dem belgischen Verfahren ging es um die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs im Hinblick auf die Vollständigkeit von Rechnungen. Den Klägerinnen des Ausgangsverfahrens (bzw. deren Rechtsvorgängern) wurde im Rahmen von steuerlichen Kontrollen der Vorsteuerabzug für im Zeitraum 1994 bis 1996 bezogene Dienstleistungen wegen Lückenhaftigkeit der von den leistenden Unternehmern ausgestellten Rechnungen versagt. Nach belgischem Recht (Art. 3 Abs. 1 Ziff. 1 des Königlichen Erlasses Nr. 3 v. 10.12.1969 über den Vorsteuerabzug) gehören zu den für den Vorsteuerabzug notwendigen Pflichtangaben einer Rechnung "Angaben, die notwendig sind, um den Umsatz und den Satz der geschuldeten Steuer zu bestimmen, insbesondere gebräuchliche Bezeichnung der gelieferten Güter und der erbrachten Dienstleistungen, Menge und Gegenstand der Dienstleistungen". Die betreffenden Rechnungen enthielten unstreitig nicht sämtliche Pflichtangaben. Insbesondere fehlten Angaben zur Anzahl von erbrachten Arbeitsstunden und den Preis je Einheit. Die fehlenden Angaben wurden vom vorlegenden Gericht als wesentlich für die Gewährleistung der Steuererhebung und deren Kontrolle durch die Finanzverwaltung erachtet. Im Rahmen des Gerichtsverfahrens wurden die fehlenden Angaben durch Verträge und anderweitige Informationen vervollständigt.
Vor diesem Hintergrund fragte das vorlegende Gericht - ohne sich mit den Vorgaben der 6. EG-Richtlinie und der hierzu ergangenen EuGH-Rechtsprechung im Einzelnen auseinanderzusetzen -, ob ein Mitgliedstaat den Vorsteuerabzug wegen lückenhafter Rechnungen versagen kann, wenn diese durch Informationen zum Beweis des tatsächlichen Vorliegens, der Natur und des Betrags der verrechneten Umsätze vervollständigt werden (1. Vorlagefrage). Zudem fragte das Gericht, ob ein Mitgliedstaat zur Erstattung der gezahlten Mehrwertsteuer auf der Ausgangsseite (des leistenden Unternehmers) verpflichtet ist, wenn der Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger wegen ungenauer Rechnungen versagt wird (2. Vorlagefrage).
Gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 178 Buchst. a MwStSystRL) muss der Unternehmer. zur Ausübung des Vorsteuerabzug eine nach Art. 22 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie ausgestellte Rechnung besitzen. Zu den Pflichtangaben einer Rechnung zählen ab 1.1.2004 (vgl. RL 2001/115/EG) gemäß Art. 22 Abs. 3 Buchst. b sechster Gedankenstrich der 6. EG-Richtlinie Angaben über die Menge und die Art der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der erbrachten Dienstleistungen (jetzt Art. 178 Buchst. a, Art. 226 Nr. 6 MwStSystRL).
Nach der bis zum 31.12.2003 geltenden Richtlinienfassung bestimmte Art. 22 Abs. 3 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie, dass jeder Steuerpflichtige für Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die er an einen anderen Steuerpflichtigen. bewirkt, "eine Rechnung oder ein an deren Stelle tretendes Dokument auszustellen" hat. Die Rechnung musste zumindest das Entgelt ohne Steuer und den auf den jeweiligen Steuersatz entfallenen Steuerbetrag gesondert ausweisen (Art. 22 Abs. 3 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie). Es war Sache der Mitgliedstaaten, die Kriterien festzulegen, unter denen ein Dokument als Rechnung betrachtet werden kann. Die Mitgliedstaaten konnten jedoch weitere Anforderungen festlegen, um die Erhebung der USt und die Überprüfung durch die Finanzverwaltung zu sichern (Art. 22 Abs. 8 der 6. EG-Richtlinie).
Entscheidung
Hinsichtlich der 1. Vorlagefrage hat der EuGH dem nationalen Gericht die Entscheidung überlassen, ob die geforderten Angaben mit den Vorgaben dem Unionsrecht im Einklang stehen und ob im konkreten Fall angesichts der vervollständigten Informationen die nationalen Kriterien für das Vorliegen einer Rechnung bzw. an deren Stelle tretendes Dokument erfüllt sind. Allerdings hat er auch entschieden, dass der Vorsteuerabzug aus einer unvollständigen Rechnung auch dann versagt werden kann, wenn die für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Unterlagen erst nach der Verwaltungsentscheidung über die Versagung des Vorsteuerabzugs vervollständigt werden. Der EuGH hebt insoweit auf sein Urteil v. 15.7.2010, C-368/09 (Pannon Gép Centrum) ab. Danach ist es zwar zulässig, fehlerhafte Rechnungen zu berichtigen. Wenn alle für das Recht auf Vorsteuerabzug notwendigen materiell-rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind und der Unternehmer der Finanzbehörde vor Erlass ihrer Entscheidung eine berichtigte Rechnung zugeleitet hat, kann ihm der Vorsteuerabzug grundsätzlich nicht mit der Begründung abgesprochen werden, dass die ursprüngliche Rechnung fehlerhaft war. Im vorliegenden Verfahren allerdings wurde eine Rechnung aber erst nach der Verwaltungsentscheidung, den Vorsteuerabzug zu versagen, berichtigt. Wenn der EuGH in diesem Fall wie geschehen urteilt, dass es bei der Vorsteuerversagung bleiben kann, ist dies ein Indiz dafür, dass er einer Rechnungsberichtigung keine Rückwirkung zubilligen will.
Mit seiner zweiten Frage wollte das vorlegende Gericht wissen, ob ein Mitgliedstaat, der ...