Sachverhalt
Bei den verbundenen belgischen Verfahren ging es um die Auslegung von Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a und 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-Richtlinie. Fraglich war, ob die Verwendung eines zum Vermögen einer Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit gehörenden und damit insgesamt dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes oder eines Teils davon für den privaten Bedarf ihrer Geschäftsführer, Verwaltungsratsmitglieder oder Gesellschafter und deren Familien dann nicht als eine - als Vermietung oder Verpachtung eines Grundstücks im Sinne des Art. 13 Teil B Buchst. b - steuerfreie Dienstleistung behandelt werden darf, wenn als Gegenleistung für die Privatverwendung kein in Geld zu entrichtender Mietzins vereinbart ist, sondern diese Verwendung einen geldwerten Vorteil darstellt, der als solcher im Rahmen der bei den Geschäftsführern im Rahmen der Einkommensteuer besteuert wird, und deshalb einkommensteuerlich als die Gegenleistung für einen Teil der Arbeitsleistung dieser Geschäftsführer, Verwaltungsratsmitglieder oder Gesellschafter angesehen wird.
Streitig war auch, ob die Umsatzsteuerbefreiung für die Überlassung des Wohnraums anwendbar ist, wenn die Gesellschaft das Bestehen eines Zusammenhangs zwischen dem Betrieb des Unternehmens und der Zurverfügungstellung des Gebäudes oder eines Teils davon an die Geschäftsführer, Verwaltungsratsmitglieder oder Gesellschafter nicht nachweist, bzw. ob in diesem Fall das Bestehen eines mittelbaren Zusammenhangs ausreichend ist.
Entscheidung
Das Verfahren war im Hinblick auf die EuGH-Rechtssache C-436/10 (B.L.M.) ausgesetzt und wurde im Anschluss an das am 29.3.2012 ergangene Urteil in dieser Rechtssache fortgesetzt. Bereits im Urteil v. 29.3.2012 hatte der EuGH festgestellt, dass die sog. Seeling-Rechtsprechung auch auf die unentgeltlichen Nutzungsüberlassung von Räumlichkeiten einer juristischen Person für den privaten Bedarf des Personals anwendbar ist, und die Steuerbefreiung des Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie keine Anwendung findet. Danach ist für ein insgesamt dem Unternehmen zugeordnetes Gebäude grundsätzlich der volle Vorsteuerabzug zu gewähren, während die Verwendung für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen oder seines Personals oder für unternehmensfremde Zwecke einer Dienstleistung gegen Entgelt (Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie) gleichgestellt und besteuert wird.
Im jetzt vorliegenden Urteil ergänzt der EuGH diese Rechtsprechung dahingehend, dass eine unentgeltliche - und als Wertabgabe zu besteuernde - Nutzungsüberlassung auch dann vorliegt, wenn die private Nutzung der Räumlichkeiten durch den Geschäftsführer einkommensteuerrechtlich als geldwerter Vorteil angesehen wird.
Zudem stellt der EuGH fest, dass es für die Frage der Anwendbarkeit der Steuerbefreiung des Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-Richtlinie keine Rolle spielt, ob die Zurverfügungstellung des insgesamt dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes oder Gebäudeteils an die Geschäftsführer, Verwaltungsratsmitglieder oder Gesellschafter des Unternehmens einen unmittelbaren Zusammenhang zum Betrieb des Unternehmens aufweist oder nicht.
Hinweis
Die deutsche Rechtslage entspricht für den maßgeblichen Zeitraum bis 31.12.2010 den Urteilsgrundsätzen. Die Nichtanwendung der sog. Seeling-Rechtsprechung ab 1.1.2011 durch § 15 Abs. 1b UStG beruht unionsrechtlich auf dem durch die Richtlinie 2009/162/EU (mit Umsetzungsfrist 1.1.2011) neu eingefügten Art. 168a MwStSystRL.
Der BFH hatte in zwei Parallelverfahren ebenfalls entschieden, dass bezüglich der bis zum 31.12.2010 geltenden Rechtslage zum Vorsteuerabzug nach § 15 UStG bei teils privat genutzten Gebäuden auch einer juristischen Person der volle Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten für ein derart gemischt genutztes Grundstück zustehen kann und dass hierbei die gleichen Grundsätze anzuwenden sind, wie sie für Einzelunternehmer gelten (BFH v. 12.1.2011, XI R 9/08, BFH/NV 2011, 192 und BFH v. 12.1.2011, X I R 10/08, BFH/NV 2011, 860). Einem Unternehmer, der ein gemischt genutztes Gebäude vollständig seinem Unternehmen zuordnet und diese Entscheidung bereits im Zeitpunkt des Leistungsbezugs getroffen hat, steht - bei im übrigen für steuerpflichtige Ausgangsumsätze genutztem Grundstücksteil - auch dann der vollständige Vorsteuerabzug zu, wenn er das Gebäude teilweise seinen Gesellschafter-Geschäftsführern unentgeltlich für deren private Wohnzwecke überlässt, da es sich hierbei nicht um eine steuerfreie, den Vorsteuerabzug ausschließende Vermietung handelt. Ob im jeweiligen Fall eine Überlassung des Gebäudes der GmbH an einen Gesellschafter-Geschäftsführer durch einen Mietvertrag, im Rahmen eines Anstellungsvertrags (entgeltlich als Sachbezug) oder gänzlich unentgeltlich beabsichtigt ist, kommt auf die Umstände des Einzelfalls an.
Bis zur Umsetzung des Art. 168a MwStSystRL zum 1.1.2011 durch das JStG 2010 - Einführung einer Vorsteuerabzugsbeschränkung bei gemischt genutzten Grundstücken - konnte der Unternehmer ...