Sachverhalt
Bei dem Verfahren ging es um die formalen Anforderungen an eine Rechnung, die zum Vorsteuerabzug berechtigt. Im Ausgangsfall wurde der Klägerin der Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen verwehrt, da in den entsprechenden Rechnungen ein unzutreffendes Leistungsdatum aufgeführt war. Auch der Vorsteuerabzug aufgrund der von dem leistenden Unternehmer mit - zutreffendem Leistungsdatum - berichtigten Rechnungen wurde versagt, "da an demselben Tag zwei unterschiedliche Arten der Nummerierung der Rechnungen angewendet worden seien und auf diese Weise eine aufeinander folgende Nummerierung nicht gewährleistet gewesen sei".
Das Vorlagegericht wollte wissen, ob die Art. 167, 178 Buchst. a, 220 Nr. 1 und 226 der MwStSystRL einer nationalen Regelung oder einer darauf beruhenden Verwaltungspraxis entgegenstehen, wonach kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, wenn die Rechnung über die dem Unternehmer erbrachten Leistung ursprünglich eine falsche Angabe (hier das Datum, an dem die Leistung erbracht wurde) enthielt, deren spätere Berichtigung nicht alle in den anwendbaren nationalen Vorschriften enthaltenen
Voraussetzungen (hier fortlaufende Nummerierung der nach ungarischem Recht vorgeschriebenen Gutschrift zur Aufhebung der alten Rechnung sowie der berichtigten Rechnung) erfüllt.
Entscheidung
Der EuGH hat ohne Schlussanträge des Generalanwalts entschieden, dass in dem geschilderten Fall der Vorsteuerabzug nicht allein aus dem Grund versagt werden kann, dass die Gutschrift und die berichtigte Rechnung keine fortlaufende Nummerierung aufweisen. Die MwStSystRL sehe keine Verpflichtung für den Unternehmer vor, nach der die berichtigten Rechnungen und die annullierenden Gutschriften zur gleichen Nummernserie gehören müssen. Gleichzeitig gibt der Gerichtshof aber implizit in Rn. 43 f. des Urteils auch zu erkennen, dass eine Rechnung sämtliche in Art. 226 MwStSystRL genannten Angaben zutreffend enthalten muss, um zum Vorsteuerabzug zu berechtigen.
Der EuGH konnte offen lassen, ob der Vorsteuerabzug allein aufgrund der Angabe eines falschen Leistungsdatums in der Rechnung versagt werden kann. Denn jedenfalls habe der ungarischen Steuerverwaltung später eine formal richtige Rechnung vorgelegen. Diese berichtigte Rechnung kann nach dem EuGH-Urteil ihrerseits nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass die Nummer der berichtigten Rechnung nicht der gleichen "Serie" entstammt wie die Nummer der Gutschrift, mit der die fehlerhafte Rechnung annulliert wurde.
Es ist davon auszugehen, dass die EuGH-Entscheidung hinsichtlich der in der Rechnung anzugebenden Rechnungsnummer mit dem deutschen Recht übereinstimmt. Abschn. 185 Abs. 11 UStR lässt verschiedene Nummernkreise zu. Damit wird der auf Art. 226 Nr. 2 MwStSystRL basierende § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 UStG in der Weise interpretiert, dass die Formulierung "fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen" die Verwendung verschiedener Nummernkreise zulässt. Die einzelnen Nummernkreise müssen nicht zwingend lückenlos sein.
Der EuGH hat mit seinem Urteil bestätigt, dass für den Vorsteuerabzug zwischen der materiell-rechtlichen Voraussetzung (Art. 168 Buchst. a MwStSystRL - Eingangsleistung für Zwecke der vom Unternehmer bewirkten besteuerten Umsätze) und den in Art. 178 Buchst. a MwStSystRL geregelten formalen Anforderungen (Besitz einer zutreffend - und alle obligatorischen Angaben enthaltende - ausgestellten Rechnung) zu unterscheiden ist. Das EuGH-Urteil enthält aber keine expliziten Ausführungen darüber, für welchen Besteuerungszeitraum im Vorlagefall der Vorsteuerabzug möglich ist, ob für den Zeitraum, in dem die Leistung erbracht wurde, oder erst für den Zeitraum, in dem die berichtigte Rechnung vorlag. Demgegenüber geht Wäger, DStR 2010, 1478, davon aus, dass dem Urteil eine Rückwirkung der Rechnungsberichtigung auf den ursprünglichen Besteuerungszeitraum zu entnehmen ist. Im Ausgangsfall war der Vorsteuerabzug für das vierte Quartal 2007 geltend gemacht worden, die Gutschrift der unzutreffenden Rechung und die berichtigte Rechnung jedoch erst Ende September 2008 ausgestellt worden. Im Januar 2009 hatte die ungarische Finanzbehörde die Klägerin zur Rückzahlung des Vorsteuerabzugs nebst Geldbuße und Verspätungszuschlag aufgefordert. Der EuGH hat entschieden, dass die Ablehnung des Vorsteuerabzugs im Ausgangsverfahren unzulässig ist, wenn (wie unstreitig) die materiell-rechtlichen Voraussetzungen vorlagen und wenn (wie im Ausgangsfall gegeben) die berichtigte Rechnung vor dem Zeitpunkt der Rückforderung des Vorsteuerabzugs durch die Finanzbehörde bereits ausgestellt war.
Ob dies bedeutet, dass im Vorlagefall der Vorsteuerabzug bereits für den ursprünglichen Besteuerungszeitraum, in dem die Leistung bezogen worden ist, möglich ist, bleibt m.E. entgegen Wäger (a.a.O.) nach dem Urteil unklar. In seinem Urteil vom 29.4.2004, C-152/02 (Terra-Baubedarf-Handel) hatte der EuGH entschieden, dass der Vorsteuerabzug erst dann geltend gemacht werden kann, wenn beide Voraussetzungen...