Christof K. Letzgus, Robert Prätzler
Als überzeugte Europäer trauten wir unseren Augen und Ohren kaum, als im Juni 2016 die an dem von Premierminister Cameron einberufenen Referendum teilnehmende Bevölkerung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der EU votierte. Damit wollte erstmals ein EU-Mitgliedstaat die Gemeinschaft wieder verlassen, ein nie zuvor gekannter Vorgang, mit dem alle Beteiligten und Betroffenen umzugehen lernen mussten. Dieser Lernprozess ist längst nicht abgeschlossen, da die eigentliche rechtliche "Statusänderung" noch bevorsteht. Die britischen Industrieverbände warnten frühzeitig eindringlich vor den Auswirkungen der Entscheidung auf die britische Volkswirtschaft, indes ohne sichtbare Auswirkung auf das tief gespaltene öffentliche Meinungsbild und politische Entscheidungen. Das Mantra von der ur-demokratischen Entscheidung der Mehrheit der Bevölkerung prägte die Regierungspolitik sowohl unter Theresa May nach dem Rücktritt von Premier Cameron im Anschluss an das Referendum vom 23. Juni 2016 als auch seit Sommer 2019 unter Leitung von Premierminister Boris Johnson. Dieser sprach sogar von einer "Do or die"-Entscheidung, den Austritt so rasch wie möglich zu vollziehen.
Als der Schäffer-Poeschel Verlag mit dem Vorschlag auf uns zukam, ein Praktiker-Handbuch zum Brexit zu verfassen, waren gerade die letzten Versuche der Regierung unter Führung von Theresa May gescheitert, eine Unterhaus-Mehrheit für das von ihr mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen herzustellen. Nicht überraschend konnte angesichts der damals bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament keine Lösung mehr erzielt werden. Das Ergebnis der Europawahl vom Mai 2019 ist bekannt: Ausgerechnet die Brexit-Partei erhielt in dieser letzten Wahl unter Beteiligung des Vereinigten Königreichs dort die meisten Stimmen und Sitze.
In dieser Zeit erschien die Anfrage des Verlags ein wenig wie ein "Himmelfahrtskommando", da niemand vorhersehen konnte, ob und bis wann welche Lösung erzielt werden könnte. Uns war aber schnell klar, dass wir dieses Wagnis eingehen wollten und mussten, weil die betroffenen Unternehmen und ihre Berater aufgrund der vielen Unsicherheiten und dem drohenden "No-Deal"-Szenario dringend nach Orientierungsplanken und Hilfestellung im Umgang mit den praktischen Herausforderungen suchten. Ermutigt wurden wir dabei auch durch die vorbildliche Information unserer Kolleginnen und Kollegen bei PwC UK sowie durch gemeinsame Brexit-Initiativen mit PwC UK und innerhalb von PwC Europe.
Seit dem 1. Februar 2020 ist das Vereinigte Königreich nun endgültig aus der EU ausgetreten. Dies ist ein wichtiger Meilenstein und angemessener Zeitpunkt, um einen Überblick über die aktuelle Rechtslage und das, was ohne die Vereinbarung neuer Bedingungen für das künftige Verhältnis zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU zu erwarten ist, zusammenzustellen. Denn die Gefahr eines Ausstiegs ohne "Deal" ist bei weitem nicht gebannt. Wie schon während der Austrittsverhandlungen gibt es immer noch einen großen Unterschied zwischen Entscheidungsautonomie und Binnenmarkt bzw. einer auf EU-Seite befürchteten "Rosinenpickerei" zu Lasten der verbliebenen EU-Mitgliedstaaten. Bereits vor Beginn der offiziellen Verhandlungen in der ersten Märzwoche dieses Jahres bekräftigten beide Verhandlungsseiten publikumswirksam ihre jeweiligen "roten Linien", die keinesfalls zu überschreiten seien. Eine dauerhafte Lösung für Nordirland, die über die im Austrittsabkommen vom Oktober 2019 vereinbarte Übergangslösung hinausreicht (die im Übrigen auch noch ihrer praktischen Umsetzung harrt), steht ebenfalls noch aus. Der Verhandlungszeitraum beträgt derzeit nur noch gut neun Monate und wird bei Erscheinen dieses Buches noch weiter geschrumpft sein. Eine Verlängerung dieser Frist, die nach derzeitiger Rechtslage bis spätestens Juni 2020 beantragt werden müsste, erscheint keineswegs gesichert. Die Verlängerungsoption wird bislang nur von der EU-Seite hervorgehoben, während der britische Premierminister keine Gelegenheit versäumt zu betonen, dass er keinesfalls zu einer derartigen Verlängerung bereit sei. Deshalb ist damit zu rechnen, dass, wenn es überhaupt noch rechtzeitig zu einem "Deal" kommen sollte, dieser eher allgemeiner Natur sein wird und viele Detailfragen noch klärungsbedürftig bleiben werden.
Wir danken dem Verlag und insbesondere Herrn Rudolf Steinleitner für die stets wohlwollende und motivierende Begleitung sowie Frau Claudia Lange und Frau Petra Bandl für Ihre Geduld und freundliche Unterstützung in allen administrativen und redaktionellen Dingen. Darüber hinaus möchten wir uns bei zahlreichen Kolleginnen bei der PwC GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sowie bei der PwC Legal AG ebenso wie bei den Kolleginnen und Kollegen bei PwC UK und in weiteren Mitgliedsfirmen des globalen PwC-Netzwerks für ihre wertvollen Hinweise bedanken, insbesondere Lucy Redding, Katherine Saunders, Aiden Coleman, Kavita Chana, Andrew Gray, Emily Kh...