Detlef Burhoff, Dipl.-Verww. Hans-Peter Grün
Der Rechtsanwalt, der in straßenverkehrsrechtlichen OWi-Verfahren verteidigt, muss sich vor allem auch mit Messverfahren auseinandersetzen, und zwar nicht nur mit den rechtlichen, sondern auch mit den technischen Fragen. Erst deren Kenntnis ermöglicht eine sachgerechte Verteidigung. Eine hohe Sachkompetenz des Verteidigers in diesem Bereich ist die beste Voraussetzung für eine erfolgreiche Verteidigung. Deshalb stellt das vorliegende Werk die für die Verteidigung in der Praxis wichtigsten Messverfahren vor. Dargestellt werden die technischen Abläufe und Vorgaben der Messverfahren sowie die möglichen Fehlerquellen. Dies ermöglicht es dem Verteidiger, in "seinem Fall" nach Messfehlern und Messungenauigkeiten zu suchen und so ggf. einen höheren Toleranzabzug oder sogar die völlige Unverwertbarkeit der jeweiligen Messung zu erreichen, um so möglicherweise eine dem Mandanten drohende Verurteilung oder zumindest ein drohendes Fahrverbot zu verhindern. Hinzu kommt, dass der Verteidiger aufgrund der obergerichtlichen Rechtsprechung – vgl. nur den BVerfG, Beschl. v. 12.11.2020 – 2 BvR 1616/18 – sowohl bei der Formulierung von (Akten)Einsichtsanträgen vor und Beweisanträgen in der Hauptverhandlung konkrete Fehler des zu prüfenden Messverfahrens nennen können muss, wenn er, was in der Praxis immer schwieriger wird, eine Überprüfung der Messung, die dem Verfahren gegen seinen Mandanten zugrunde liegt, erreichen will. Die damit zusammenhängenden Fragen sind häufig der erste Ansatz für eine ggf. erfolgreiche Verteidigung.
Das gilt nicht nur für den Bereich der Geschwindigkeitsüberschreitungen und Abstandunterschreitungen, sondern auch für den Rotlichtverstoß. Dies sind die "großen Drei", die sicherlich zu den am häufigsten begangenen Verkehrsordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr gehören. Daneben spielen in der Praxis die Fragen der Atemalkoholmessung (§ 24a Abs. 1 StVG) und der Täteridentifikation eine erhebliche Rolle.
Deshalb hatten wir, nachdem wir uns in der 1. Auflage auf die Bereiche der Geschwindigkeitsüberschreitung und der Abstandsunterschreitung konzentriert hatten, in der 2. Auflage – aufgrund der aus dem Kreis der Nutzer des Buches an uns herangetragenen Wünsche – den Bereich der Rotlichtverstöße und der Täteridentifikation mit aufgenommen. Im Bereich der Täteridentifikation wird erläutert, wie der Sachverständige an sein Gutachten "herangeht" und wo hier ggf. Fehlerquellen liegen, um so die Möglichkeit zu geben, gegen die im Verfahren erfolgte Identifikation des Mandanten als Fahrer zum Zeitpunkt des Verkehrsverstoßes argumentieren zu können.
Ebenfalls auf Anregungen aus dem Nutzerkreis basieren die in die 3. Auflage neu aufgenommenen Darstellungen zu den Messverfahren der Atemalkoholmessung (§ 24a Abs. 1 StVG) und der Messverfahren, die im gewerblichen Personen- und Güterverkehr eine Rolle spielen. Auch sie haben in der Praxis zunehmend Bedeutung. Weitere Neuerungen der 3. Auflage haben den aktuellen Entwicklungen Rechnung getragen.
Für die 4. Auflage gilt: In der Praxis war zu beobachten, dass Gerätehersteller, Anwender und die PTB versuchten, die genaue Funktionsweise einzelner Messverfahren geheim zu halten und auch die Prüfkriterien immer mehr aufzuweichen. Infolge dieser Entwicklung hatte sich der Arbeitskreis IV des 51. Verkehrsgerichtstages in Goslar 2013 u.a. mit dieser Problematik beschäftigt und einen Antrag an die PTB formuliert, die Gerätehersteller aufzufordern ihre Messverfahren im Zuge einer Kontrolle einzelner Messergebnisse offen zu legen. Diese Forderung wurde auch im Jahr 2016 auf dem 54. Verkehrsgerichtstag vom Arbeitskreis V erneuert. Daneben war vor allem das neue Mess- und Eichgesetz Thema dieses Gerichtstages. Zudem hat das neue Konformitätsverfahren viele Neuerungen und einige Unsicherheiten mit sich gebracht. Diese Neuerungen sind in der 4. Auflage des Werks berücksichtigt worden.
Für die 5. Auflage war von Bedeutung, dass Gerätehersteller, Anwender und die PTB, unterstützt von vielen OLG, nach wie vor "gemauert" haben und dem Verteidiger und seinem Mandanten – wenn überhaupt – nur nach hartem Kampf, die Messdaten zur Verfügung stellen, die für eine sachverständige Überprüfung einer Messung erforderlich sind. Allerdings war dann Bewegung in die Rechtsprechung gekommen, nachdem das VerfG Saarland zwei für die Praxis bedeutsame Entscheidungen gefällt hat, und zwar einmal zur Frage der Einsicht in Messdaten und zum anderen zur Frage der Erforderlichkeit von Rohmessdaten. Diese Entscheidungen haben aber bei den OLG anderer Bundesländer als dem Saarland kaum zu einem Umdenken und einer Änderung ihrer Rechtsprechung geführt.
In der nun vorliegenden 6. Auflage haben wir die Ausführungen aktualisiert und an den Stand der Technik angepasst. Neu aufgenommen worden sind die Ausführungen zu dem Messverfahren mit dem Messgerät: VKS 4.5 von Vidit. In den "rechtlichen Teil" ist die Entscheidung des BVerfG vom 12.11.2020 (2 BvR 1616/18), die bei Erscheinen der Neuauflage nur "erwartet" wurde, eingearbeit...