Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Bußgeldandrohung für einen Verstoß gegen die im Jahr 2006 eingeführte Fassung des einschlägigen § 2 Abs. 3a S. 1 und 2 StVO war wegen fehlender Bestimmtheit verfassungswidrig. Die zum 4.12.2010 in Kraft getretene Neufassung der "Winterreifenpflicht" wies weiterhin keine tragfähige Definition der erforderlichen Bereifung auf.
2. Die seit 1.6.2017 gültige Fassung hat Abhilfe geschaffen.
3. Von der Winterreifenpflicht werden grundsätzlich alle Kfz mit einigen Ausnahmen erfasst.
4. Die erforderliche Bereifung muss nach materieller Beschaffenheit und förmlicher Kennzeichnung den Vorgaben des § 36 Abs. 4 StVZO entsprechen.
5. Die Pflicht setzt bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eisglätte und Reifglätte ein.
6. Die Regelgeldbußen ergeben sich aus Nrn. 5a, 5a.1 und 213a BKat.
7. Übergangsregelungen erlauben eine weitere Verwendung von Reifen nach § 2 Abs. 3a StVO a.F. bis zum 30.9.2024.
 

Rdn 4268

 

Literaturhinweise:

Abrecht, Neue Verkehrs- und Bußgeldvorschriften 2006, SVR 2006, 41

Burhoff, Änderungen in den Verkehrs- und Bußgeldvorschriften, VRR 2006, 168

ders., Bußgeldrechtliche Fragen der "Winterreifenpflicht" nach § 2 Abs. 3a StVO, ZAP F. 9, S. 847

ders., Die Winterreifenpflicht 3.0 – erste Fragen und erste Antworten, VA 2018, 15

Burhoff/Eggert, Die neue Winterreifenpflicht: Erste Fragen und erste Antworten, VA 2011, 25

Deutscher, Die "neue" Winterreifenpflicht – Abschließende Klärung oder fragwürdige Interimsregelung?, VRR 2011, 90

ders., Winterreifenpflicht reloaded, VRR 9/2017, 4

Engelbrecht/Seutter, Faktische Winterreifenpflicht kraft Haftpflicht- und Versicherungsrecht durch die Neufassung des § 2 IIIa StVO?, DAR 2006, 109

Hatz, Die neue Winterreifenpflicht – auf dünnem Eis oder eine Regelung mit mehr Profil?, NZV 2011, 167

Heß/Burmann, Rechtsfolgen bei Verstoß gegen die Winterreifenpflicht, NJW-Spezial 2011, 9

Rebler, Rechtliche Folgen eines Verstoßes gegen die "Winterreifenpflicht", SVR 2010, 401

Schubert, Die neue "Winterreifenpflicht" in der StVO, DAR 2006, 112

Wolbers/Förster, Vergleichende Bremsverzögerungsmessungen auf schneebedeckter Straße, VRR 2010, 215.

 

Rdn 4269

1.a) Seit 1.5.2006 bis zum 3.12.2010 galt folgende Fassung des § 2 Abs. 3a S. 1 und 2 StVO:

Zitat

"Bei Kraftfahrzeugen ist die Ausrüstung an die Wetterverhältnisse anzupassen. Hierzu gehören insbesondere eine geeignete Bereifung und Frostschutzmittel in der Scheibenwaschanlage."

 

Rdn 4270

Ziel der Regelung war nicht die Unfallverhütung. Vielmehr sollte verhindert werden, dass Kfz mangels geeigneter Bereifung liegenbleiben und damit erhebliche Verkehrsbehinderungen verursachen (BR-Drucks 813/05, S. 12).

 

Rdn 4271

b) Das OLG Oldenburg hat mit Beschl. v. 9.7.2010 (DAR 2010, 477 m. Anm. Schubert = VRS 119, 152 = VRR 2010, 316 m. Anm. Burhoff) den einschlägigen Bußgeldtatbestand der §§ 49 Abs. 1 Nr. 2, 2 Abs. 3a S. 1, 2 StVO a.F. wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot in Art. 103 Abs. 2 GG für verfassungswidrig erklärt, soweit er einen Verstoß gegen das Gebot ahndet, ein Kfz mit einer an die Wetterverhältnisse angepassten, geeigneten Bereifung auszurüsten.

 

Rdn 4272

c) Der Beschluss des OLG Oldenburg hat dann den Verordnungsgeber zu einer Neuregelung mit Wirkung zum 4.12.2010 (BGBl I 2010, S. 1737) bewegt. Diese Neufassung hat erhebliche Kritik erfahren, da sie gesetzestechnisch verunglückt war und auch keine brauchbare Definition der erforderlichen Bereifung aufwies (näher Deutscher VRR 2011, 92 ff.; hier 5. Aufl. Rn 4238).

 

Rdn 4273

2. Durch die 52. VO zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 18.5.2017 (BGBl I, S. 1282) ist die Winterreifenpflicht in § 2 Abs. 3a StVO erneut mit Wirkung zum 1.6.2017 reformiert worden. Es wurde nunmehr eine gesetzliche Definition des Begriffs "Winterreifen" geschaffen und diese systematisch zutreffend in der StVZO (§ 36 Abs. 4 n.F.) verortet. § 2 Abs. 3a S. 1 StVO lautet nunmehr:

 

Der Führer eines Kraftfahrzeuges darf dies bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eisglatte oder Reifglätte nur fahren, wenn alle Räder mit Reifen ausgerüstet sind, die unbeschadet der allgemeinen Anforderungen an die Bereifung den Anforderungen des § 36 Absatz 4 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung genügen.

 

Rdn 4274

3.a) Von dieser "Winterreifenpflicht" werden alle Kfz erfasst (§ 1 Abs. 2 StVG; näher Deutscher VRR 2011, 93). § 2 Abs. 3a S. 2 StVO nimmt allerdings einige Fahrzeugarten von der Pflicht aus:

Nr. 1: Nutzfahrzeuge der Land- und Forstwirtschaft,
Nr. 2: einspurige Kraftfahrzeuge,
Nr. 3: Stapler im Sinne des § 2 Nr. 18 der FZV,
Nr. 4: motorisierte Krankenfahrstühle im Sinne des § 2 Nr. 13 der FZV,
Nr. 5 und 6: Einsatz- und Spezialfahrzeuge, für die bauartbedingt keine einschlägigen Reifen verfügbar sind.
 

☆ Anders als in der vorher geltenden Fassung werden einspurige Fahrzeuge (insbesondere Motorräder in Nr. 2) und motorisierte Krankenfahrstühle (in Nr. 4) befreit . Für diese beiden Fahrzeugarten sind den Anforderungen entsprechende Winterreifen nicht verfügbar, was bei w...

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