1 Leitsatz
Verträge, die vor Entstehung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geschlossen werden, binden diese nicht.
2 Normenkette
§ 26 Abs. 1 WEG
3 Das Problem
B errichtet ein Mehrfamilienhaus. Das Gebäude soll nach der Baubeschreibung eine Gaszentralheizung haben. In der Gemeinschaftsordnung bestellt sich B für 3 Jahre zum ersten Verwalter. Die Amtszeit beginnt mit der Anlegung der Wohnungsgrundbücher und der Entstehung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Im Mai 2015 – die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist noch nicht entstanden – schließt B "als Verwalter" mit der X einen Wärmelieferungsvertrag. Im Rahmen eines Wärme-Contractings übernimmt X für 15 Jahre die Installation und den Betrieb einer Brennwertanlage mit Warmwasserbereiter sowie die Wartung und Instandhaltung der Anlage. Im Vertrag ist geregelt, dass die Wärmeerzeugungsanlage ein Scheinbestandteil ist und im Eigentum der X steht.
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K verlangt vor diesem Hintergrund von B in Bezug auf den Abschluss des Wärmelieferungsvertrags Schadensersatz. Sie habe es erreicht, dass X die Heizungsanlage entschädigungslos in "ihr Eigentum überführt" habe. Mit der X sei anschließend ein normaler Energielieferungsvertrag geschlossen worden. Die Wohnungseigentümer hätten vom Vertrag mit X nichts gewusst. Für den Zeitraum vom 9.12.2015 bis zur Übertragung am 30.4.2018 seien deshalb zulasten der Wohnungseigentümer Mehrkosten entstanden, die B auch deshalb zu tragen habe, da er K nicht von Beginn an, wie geschuldet, die Gaszentralheizung übereignet habe.
4 Die Entscheidung
K habe gegen B keinen Anspruch auf Schadensersatz! K sei kein Schaden entstanden. K sei aus dem Contracting-Vertrag gegenüber X nicht zur Zahlung verpflichtet gewesen. B habe den Vertrag geschlossen, als es K noch nicht gab. K habe den Vertrag auch nicht genehmigt. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer könne ihre Zahlungen daher von X zurückverlangen.
5 Hinweis
Problemüberblick
In diesem Fall geht es um die Frage, ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer an Verträge gebunden ist, die vor ihrer Entstehung geschlossen worden sind.
Entstehung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer entsteht mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher; dies gilt auch im Fall des § 8 WEG, wenn es also eine Teilungserklärung und damit nur einen Wohnungseigentümer gibt. Schließt der Bauträger den Contracting-Vertrag vor diesem Zeitpunkt, kann er die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht binden. Der Bauträger könnte den Vertrag aber mit Entstehung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer genehmigen – auch schlüssig.
Werdender Wohnungseigentümer
Im Fall geht es auch um die Erwerber, die vom Bauträger Wohnungseigentum erwerben. Im alten Recht sprach man vom werdenden Wohnungseigentümer. Das geltende Recht kennt diesen weiterhin. Dies ist nach § 8 Abs. 3 WEG, wer einen durch Vormerkung im Grundbuch gesicherten Anspruch auf Übertragung von Wohnungseigentum gegen den teilenden Eigentümer hat. Diese Person gilt gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und den anderen Wohnungseigentümern anstelle des teilenden Eigentümers als Wohnungseigentümer, sobald ihm der Besitz an den zum Sondereigentum gehörenden Räumen übergeben wurde.
Contracting
Der Bauträger hat den Erwerbern in den Bauträgerverträgen eine Heizungsanlage versprochen. Dieses Versprechen ist nicht erfüllt, wenn die Heizungsanlage dem Contractor gehört. Ob es so ist, hängt davon ab, ob die Heizungsanlage ein Scheinbestandteil ist. Im Contracting-Vertrag heißt es insoweit, dass die Wärmeerzeugungsanlage nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grundstück verbunden sei. Diese Regelung ist ggf. wirksam, wenn
- die Vertragslaufzeit nicht von vornherein der mutmaßlichen Gesamtnutzungsdauer der Anlage entspricht,
- der Ausbau der Anlage explizit vorgesehen ist oder eine Dienstbarkeit vorliegt.
6 Entscheidung
LG Karlsruhe, Urteil v. 2.2.2022, 6 O 325/19