1 Leitsatz

Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Richtlinie 2006/112/EG (…) über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Lieferung von Wärme durch eine Wohnungseigentümergemeinschaft an die Eigentümer, die Mitglieder dieser Gemeinschaft sind, von der Mehrwertsteuer befreit ist.

2 Das Problem

Im Streitfall geht es um den Umfang des Vorsteuerabzugs aus den Anschaffungs- und Betriebskosten eines Blockheizkraftwerks (kurz: BHKW), das eine Wohnungseigentümergemeinschaft errichtet hatte. Den mit dem BHKW erzeugten Strom lieferte die Wohnungseigentümergemeinschaft umsatzsteuerpflichtig an ein Energieversorgungsunternehmen, die daneben erzeugte Wärme an die Wohnungseigentümer, Das Finanzamt berücksichtigte die Vorsteuern aus der Anschaffung des BHKW – entsprechend dem Anteil der vorsteuerbelasteten Kosten, der auf die Stromerzeugung entfiel – nur zu 28 %. Für den auf die Wärmeerzeugung entfallenden Anteil von 72 % verweigerte es den Vorsteuerabzug wegen insoweit nach § 4 Nr. 13 UStG steuerfreier Ausgangsleistungen. Das Finanzgericht Baden-Württemberg hegte Zweifel, ob die Steuerbefreiung der Lieferung von Wärme durch eine Wohnungseigentümergemeinschaft an ihre Wohnungseigentümer nach § 4 Nr. 13 UStG mit dem EU-Recht vereinbar ist und legte die in der Literatur sehr umstrittene Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

3 Die Entscheidung

Der EuGH entschied nun, dass die Steuerbefreiung gem. Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Mehrwertsteuersystemrichtlinie für Vermietungsleistungen nicht die Steuerbefreiung der Lieferung von Wärme durch die Wohnungseigentümergemeinschaft an die einzelnen Mitglieder der Gemeinschaft abdecke. Die Protokollerklärung zu Art. 13 der 6. EG-Richtlinie, dem Vorläufer des Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, habe im Wortlaut der Richtlinie keinen Niederschlag gefunden und dürfe daher für deren Auslegung nicht herangezogen werden.

 
Hinweis

Auswirkungen

Das Urteil des EuGH wird auch Auswirkungen auf die Wasserlieferungen von Eigentümergemeinschaften haben. Solange der Gesetzgeber jedoch das EuGH-Urteil nicht umgesetzt hat, können es Wohnungseigentümergemeinschaften aus Gründen des Vertrauensschutzes bei der bisherigen Praxis belassen. Eine Berufung auf das Urteil ist nur sinnvoll, wenn sich hohe Vorsteuerbeträge aus Energie- und Wartungskosten oder einer Modernisierung der Heizungsanlage ergeben. Voraussetzung für einen Vorsteuerabzug ist jedoch, dass die Wärmelieferung an vorsteuerabzugsberechtigte Wohnungseigentümer erfolgt, also solche, die ihr Teileigentum selbst für gewerbliche oder berufliche Zwecke nutzen.

4 Entscheidung

EuGH, Urteil v. 17.12.2020, C-449/19, WEG Tevesstraße

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