Leitsatz
Nach der neueren Rechtsprechung des BGH bestimmt sich der nacheheliche Unterhalt nach den wandelbaren Lebensverhältnissen, die auch durch neu hinzugetretene Unterhaltsverpflichtungen bestimmt werden. Veränderungen sind nur dann ohne Einfluss auf den Unterhalt, wenn sie entweder auf einem unterhaltsrechtlich vorwerfbaren Verhalten oder auf einem sog. Karrieresprung beruhen. Der BGH hatte sich nunmehr in einer Entscheidung mit dem Fall zu befassen, dass neue Unterhaltsverpflichtungen und Karrieresprung zusammentreffen.
Sachverhalt
Die Parteien stritten um den nachehelichen Unterhalt für die Zeit ab April 2005. Sie hatten sich nach 10-jähriger Ehe im Jahre 1995 getrennt. Aus der Ehe waren zwei in den Jahren 1985 und 1992 geborene Kinder hervorgegangen. Im Februar 1998 wurde die Ehe der Parteien geschieden. Zuvor hatten sie einen umfassenden Scheidungsfolgenvergleich geschlossen, in dem sich der Beklagte u.a. verpflichtet hatte, an die Klägerin nachehelichen Unterhalt (inklusive Krankenvorsorge- und Altersvorsorgeunterhalt) i.H.v. insgesamt 2.426,02 DM zu zahlen. Mit Vereinbarung vom 13.4.2004 änderten die Parteien diesen Vergleich ab und einigten sich auf zu zahlenden nachehelichen Unterhalt i.H.v. 770,50 EUR.
Der Beklagte war zum Zeitpunkt der Scheidung städtischer Beigeordneter und wurde zwei Jahre nach der Scheidung zum ersten Beigeordneten mit Bezügen nach der Besoldungsgruppe A 16 gewählt. Zusätzlich bezog er ein Einkommen als Geschäftsführer der Eigenbetriebe. Im Herbst 2004 wurde er zum Kreisdirektor mit einem Einkommen nach der Besoldungsgruppe B 5 ernannt. Seit dem Jahre 1999 ist er in zweiter Ehe verheiratet. Aus dieser Ehe sind drei weitere Kinder hervorgegangen.
Die seit 1999 als Putzhilfe tätige Klägerin begehrte für sich höheren Unterhalt. Das erstinstanzliche Gericht hat den Beklagten verurteilt, an sie für die Zeit von April bis Juni 2005 Unterhaltsrückstand und für die Zeit ab Juli 2005 monatlichen Unterhalt i.H.v. 800,00 EUR abzüglich geleisteter Beträge zu zahlen. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Hiergegen richtete sich die vom OLG zugelassene Revision, mit der er sein Klageabweisungsbegehren weiterverfolgte.
Entscheidung
Der BGH hat in der Begründung seiner Entscheidung die Entwicklung seiner Rechtsprechung zu den ehelichen Lebensverhältnissen vom strikten Stichtagsprinzip bis hin zu dessen endgültiger Aufgabe dargestellt und dabei seine bisherige Rechtsprechung bekräftigt, wonach für die Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen grundsätzlich auf die geänderten tatsächlichen Verhältnisse während des Unterhaltszeitraums abzustellen sei. Dies schließe die Geburt weiterer Kinder nach der Ehescheidung oder die Unterhaltsansprüche eines neuen Ehegatten ein. Bei Veränderung des unterhaltsrelevanten Einkommens sei zwischen dem Unterhaltspflichtigen und dem Unterhaltsberechtigten zu unterscheiden. Aufseiten des Unterhaltspflichtigen wirke sich eine Einkommensminderung zwangsläufig auf den Bedarf nach § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB aus, während aufseiten des Unterhaltsberechtigten die Einsatzzeiten der §§ 1571, 1572 und 1573 BGB zu beachten seien.
Ein erhöhtes Einkommen des Unterhaltspflichtigen präge die Lebensverhältnisse nur, wenn die Einkommenserhöhung zurzeit des ehelichen Zusammenlebens bereits zu erwarten gewesen sei, nicht jedoch bei einem unerwarteten Einkommenszuwachs nach der Trennung durch einen Karrieresprung. Der BGH bestätigt allerdings die Auffassung des OLG, wonach die Nichtberücksichtigung nachehelicher Einkommensentwicklungen dann nicht berechtigt sei, wenn zugleich nachehelich weitere Unterhaltsberechtigte hinzukämen, deren Unterhalt den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen mindere.
Soweit höheres Einkommen lediglich eine neu hinzugetretene Unterhaltspflicht auffange, sei dieses grundsätzlich in die Unterhaltsbemessung einzubeziehen. In einem solchen Fall sei der nacheheliche Unterhalt anhand des nach dem Karrieresprung erzielten Einkommens einschließlich der später hinzukommenden Unterhaltsverpflichtungen - bei Unterhaltsverpflichtung ggü. einem neuen Ehegatten im Wege der Dreiteilung - zu bemessen (BGH v. 30.7.2008 - XII ZR 177/06, BGHReport 2008, 1175 m. Anm. Borth = FamRZ 2008, 1911 [1914 ff.] = FamRB 2008, 326 [327]).
Nur wenn das erhöhte Einkommen trotz der später hinzugetretenen Unterhaltsberechtigten zu einem höheren Anspruch führe als dies ohne Karrieresprung der Fall wäre, müsse der Einkommenszuwachs unberücksichtigt bleiben. Als Obergrenze bleibe es bei dem Unterhalt, wie er sich ohne Einkommenszuwachs sowie weitere Unterhaltsverpflichtungen errechne.
Hinweis
Einkommensverbesserungen aus einem nachehelichen Karrieresprung sind nur insoweit heranzuziehen, als sie den Unterhaltsbedarf erst nach der Ehescheidung hinzugetretener Unterhaltsberechtigter kompensieren. Demzufolge muss ein Mehreinkommen dann unberücksichtigt bleiben, wenn - wie in dem hier entschiedenen Fall - Unterhaltsansprüche eines noch vor der Ehescheidung geboren...