Leitsatz
Geräuschemissionen, die ihren Ursprung in einem altersgerecht üblichen kindlichen Verhalten haben, gegebenenfalls auch unter Inkaufnahme erhöhter Grenzwerte für Lärm und entsprechender Begleiterscheinungen kindlichen Verhaltens, sind grundsätzlich hinzunehmen. Die Grenzen sind jeweils im Einzelfall zu bestimmen unter Berücksichtigung namentlich von Art, Qualität, Dauer und Zeit der verursachten Geräuschemissionen, des Alters und des Gesundheitszustands des Kindes sowie der Vermeidbarkeit der Emissionen etwa durch objektiv gebotene erzieherische Einwirkungen oder durch zumutbare oder sogar gebotene bauliche Maßnahmen.
Normenkette
WEG § 14 Nr. 1
Das Problem
- K ist seit 2004 Mieterin einer 3½-Zimmerwohnung im Erdgeschoss eines etwa um 1900 erbauten Achtfamilienhauses der Beklagten in Berlin-Tiergarten. Die Eheleute S bewohnen mit ihren beiden noch nicht schulpflichtigen Kindern seit Ende 2012 die darüber liegende Wohnung. K behauptet unter Vorlage sogenannter Lärmprotokolle und Antritt von Zeugenbeweis, seit dem Einzug der S komme es aus deren Wohnung fast täglich, auch an Sonn- und Feiertagen sowie zu Ruhezeiten, zu massiven Lärmstörungen durch heftiges Stampfen, Springen, Poltern sowie durch Schreie und sonstige lautstarke und aggressive familiäre Auseinandersetzungen. Diese nicht nur durch die Kinder, sondern teilweise auch durch die S selbst verursachten Störungen träten nicht nur punktuell, sondern bisweilen mehrmals am Tag auf und dauerten dabei größtenteils zwischen einer und 4 Stunden. Der Lärm sei so heftig, dass er für sie sogar bei Verwendung von Ohrstöpseln noch deutlich hör- und spürbar sei. In der Küche sprängen die Töpfe durch die damit einhergehenden Erschütterungen in den Regalen und die Türen wackelten in den Angeln. Die Schallußbertragung über die Bauteile sei sehr heftig und als andauerndes Wummern zu hören und zu spüren. Davon sei die komplette Wohnung betroffen, sodass sie – die K – sich dem in keinem ihrer Zimmer entziehen könne.
- Die auf Verurteilung zur Beseitigung der näher bezeichneten Lärmstörungen, auf Feststellung eines Mietminderungsrechts von 50 % bis zur Beseitigung der Lärmstörungen und auf Rückzahlung einer wegen der geltend gemachten Minderung insoweit nur unter Vorbehalt gezahlten Miete hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Hiergegen wendet sich K mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde. Mit einem Zwischenerfolg!
Die Entscheidung
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofes begründet. Das Berufungsgericht habe den Kern des Vorbringens der K zu Art, Intensität, Häufigkeit und Dauer der ihrem Klagebegehren zugrunde liegenden Lärmstörungen verkannt und dadurch bereits im Ansatz die entscheidungserhebliche Abwägung der einander gegenüber stehenden Interessen verfehlt.
Der Grundsatz
- Es entspreche allgemeiner Auffassung, dass in einem Mehrfamilienhaus gelegentlich auftretende Lärmbeeinträchtigungen grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen seien und für die betroffenen Mitmieter deshalb noch nicht ohne Weiteres einen Mangel der Mietsache im Sinne von § 536 BGB begründeten. Dazu zähle auch üblicher Kinderlärm, den das Immissionsschutzrecht des Bundes und der Länder (z.B. § 22 Abs. 1a BImSchG, § 6 Abs. 1 LImSchG Bln) für seinen Bereich als grundsätzlich sozial adäquat und damit zumutbar behandele, was – auch wenn diese Maßstäbe für die mietrechtliche Pflichtenlage keine unmittelbare Wirkung entfalten könnten – gewisse Ausstrahlungswirkungen auf die ohnehin schon längst in diese Richtung tendierende Verkehrsanschauung zur Toleranz gegenüber solchen Geräuschemissionen und darüber auf die mietrechtlichen Abwägungsprozesse habe, die ihrerseits allerdings zugleich durch das Gebot zumutbarer gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt seien (Hinweis auf BGH v. 29.4.2015, VIII ZR 197/14, BGHZ 205 S. 177 Rn. 26 ff.).
- Vor diesem Hintergrund gehe die ganz überwiegende Instanzrechtsprechung deshalb für Fallgestaltungen, die mit dem Streitfall vergleichbar seien, zutreffend davon aus, dass zwar auf der einen Seite Geräuschemissionen, die ihren Ursprung in einem altersgerecht üblichen kindlichen Verhalten hätten, gegebenenfalls auch unter Inkaufnahme erhöhter Grenzwerte für Lärm und entsprechender Begleiterscheinungen kindlichen Verhaltens, grundsätzlich hinzunehmen seien, auf der anderen Seite jedoch die insoweit zu fordernde erhöhte Toleranz auch Grenzen habe. Diese seien jeweils im Einzelfall zu bestimmen unter Berücksichtigung namentlich von Art, Qualität, Dauer und Zeit der verursachten Geräuschemissionen, des Alters und des Gesundheitszustands des Kindes sowie der Vermeidbarkeit der Emissionen etwa durch objektiv gebotene erzieherische Einwirkungen oder durch zumutbare oder sogar gebotene bauliche Maßnahmen.
Der Fall
Das Berufungsgericht habe bei Anlegung dieses Maßstabs wesentliches Vorbringen der K zu Art, Intensität, Frequenz und Dauer der auf ihre Wohnung einwirkenden Geräusche und Erschütterungen übergangen. Insbesondere habe es sich durch die lediglich kursorisc...