Leitsatz
Der Gebäudeeigentümer kann gegen das Wasserversorgungsunternehmen einen Anspruch auf Austausch des Hauptwasserzählers haben, wenn sich durch die veränderte Messung der Wasser- und Abwasserpreis verringert. Voraussetzung ist, dass sich der technische Standard betreffend die Auswahl der Messgeräte ändert und ein Austausch nach dem neueren Stand der Erkenntnisse angezeigt ist.
(Leitsatz der Redaktion)
Normenkette
AVBWasserV § 18
Kommentar
Nach den Lieferbedingungen des Wasserversorgungsunternehmens hängt die Höhe des Entgelts für die Lieferung von Wasser und die Entsorgung des Abwassers von der Art der verwendeten Wasserzähler ab:
- Bei Wasserzählern der Größe Qn 2,5 mit einem Nenndurchfluss von 2,5 m3/h beträgt der Grundpreis für die Bereitstellung des Frischwassers ab 401 m3 pro Jahr 29,50 EUR pro Monat. Der Preis für die Entsorgung des Abwassers beträgt 15 EUR/m3.
- Bei Wasserzählern der Größe Qn 6 mit einem Nenndurchfluss von 6,0 m3/h beträgt der Grundpreis für die Bereitstellung des Frischwassers ab 501 m3 pro Jahr 68 EUR pro Monat. Der Preis für die Entsorgung des Abwassers beträgt 36 EUR/m3.
Die jeweiligen Liefer- und Entsorgungspreise unterscheiden sich also erheblich.
Die Größe der Wasserzähler richtet sich nach der für die Versorgung des Gebäudes benötigten Wassermenge. Zur Ermittlung dieser Menge dienen 2 Normen, nämlich
- die (deutsche) DIN 1988 Teil 3 (Technische Regeln für die Trinkwasser-Installation (TRWI) – Ermittlung der Rohrdurchmesser – Technische Regel des DVGW) sowie
- die (europäische) DIN EN W 806.3 (Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen, Teil 3 – Berechnung der Rohrinnendurchmesser – Vereinfachtes Verfahren des CEN (Europäisches Komitee für Normung), gültig ab Juli 2006).
Der Wasserverbrauch des Mehrfamilienhauses mit 21 Wohnungen wird durch einen Wasserzähler der Größe Qn 6 erfasst. Die Eigentümer des Gebäudes haben das Wasserversorgungsunternehmen aufgefordert, diesen Zähler gegen einen der Größe Qn 2,5 auszutauschen. Dies hat das Wasserversorgungsunternehmen abgelehnt. Der BGH hatte die Frage zu entscheiden, nach welchen Kriterien der Wasserpreis zu ermitteln ist. Der Senat hat hierzu folgende Grundsätze entwickelt:
1. Für die Wasserlieferung gilt die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (vom 20.6.1980, BGBl. I S. 750 – AVBWasserV). Das Wasserversorgungsunternehmen bestimmt "Art, Zahl und Größe sowie Anbringungsort der Messeinrichtungen" (§ 18 Abs. 2 Satz 2 dieser Verordnung).
2. Das Wasserversorgungsunternehmen hat das Bestimmungsrecht nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) auszuüben. Ob die Ermessensausübung der Billigkeit entspricht, kann vom Gericht überprüft werden.
3. Hat das Wasserversorgungsunternehmen eine Entscheidung unter Anwendung der DIN 1988 Teil 3 getroffen, so hat der Kunde einen Anspruch auf erneute Ausübung des Bestimmungsrechts, wenn sich der technische Standard betreffend die Auswahl der Messgeräte ändert.
4. Die europäische DIN EN W 806.3 hat denselben rechtlichen Status wie die deutsche DIN 1988 Teil 3. Deshalb kommt es darauf an, ob die DIN EN W 806.3 gegenüber der DIN 1988 Teil 3 auf einem neueren Stand der Erkenntnisse im Hinblick auf die Erfassung der Wassermenge beruht. Reicht nach der DIN EN W 806.3 ein Wasserzähler der Größe Qn 2,5 aus, so hat der Kunde einen Anspruch auf einen Austausch der Zähler, weil bei der Ermessensausübung auch die wirtschaftlichen Interessen des Kunden zu berücksichtigen sind.
In dem Verfahren wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt. Aus diesem ergibt sich, dass in gut 90 % aller Wohngebäude ein Wasserzähler der Größe Qn 2,5 ausreicht. Zähler mit einem höheren Nenndurchfluss sind ausnahmsweise nur bei Gebäuden mit einer höheren Geschosszahl (etwa ab 30 Wohneinheiten) oder mit Gewerbebetrieben wie etwa Wäschereien erforderlich. Ob ein solcher Ausnahmefall gegeben war, hatte das Instanzgericht nicht aufgeklärt. Deshalb hat der BGH das Verfahren an das Berufungsgericht zurückgegeben.
Wirtschaftlichkeitsgrundsatz beachten
Das Verfahren wurde von einer Wohnungseigentümergemeinschaft betrieben. Die vom BGH entwickelten Grundsätze sind aber auch für die Miete von Bedeutung. Aus dem Urteil des BGH folgt, dass der Gebäudeeigentümer einen Anspruch gegen das Wasserversorgungsunternehmen auf Austausch des Hauptwasserzählers haben kann, wenn sich bei der Verwendung eines anderen Zählers ein günstigerer Wasserpreis ergibt. Aus dem in § 556 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BGB postulierten Wirtschaftlichkeitsgrundsatz ist abzuleiten, dass der Hauseigentümer und Vermieter von diesem Recht Gebrauch machen muss, wenn dies zu geringeren Wasserkosten führt.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 21.4.2010, VIII ZR 97/09, WuM 2010 S. 373