Zusammengefasst enthält § 37 Abs.1 WHG Verbotsregelungen zum Wasserabfluss zwischen Ober- und Unterliegern. Abs. 2 regelt für die Fälle, in denen es entgegen Abs. 1 zu unverschuldeten Veränderungen des Wasserabflusses kommt, Duldungspflichten der Eigentümer der sogenannten Störergrundstücke, also der Grundstücke, auf denen die Veränderungen stattgefunden haben. Vor dem Hintergrund der wasserwirtschaftlichen Bedeutung der neuen Regelung kann die zuständige Behörde nach Abs. 3 unter bestimmten Voraussetzungen Abweichungen von den Abs. 1 und 2 zulassen. Abs. 4 bestimmt schließlich, dass die Abs. 1 bis 3 auch für wild abfließendes Wasser gelten, das nicht aus Quellen stammt.

1.2.1 Zum Begriff "Wild abfließendes Wasser"

§ 37 WHG findet nach seinen Abs. 1 und 2 nur Anwendung, wenn der natürliche Ablauf wild abfließenden Wassers in irgendeiner Weise verändert wird. Deshalb kommt es entscheidend darauf an, ob im konkreten Fall wild abfließendes Wasser betroffen ist.

Darunter ist zunächst entsprechend § 3 Nr. 1 WHG oberirdisches Wasser zu verstehen, das aus Quellen den natürlichen Geländeverhältnissen folgend wild abfließt, also noch kein Wasserbett gebildet hat. Zusätzlich bestimmt § 37 Abs. 4 WHG, dass die Abs. 1 bis 3 auch für wild abfließendes Wasser gelten, das nicht aus Quellen stammt. Zusammenfassend ist wild abfließendes Wasser also wie folgt zu definieren:

 
Hinweis

Definition

Unter wild abfließendem Wasser ist Oberflächenwasser außerhalb eines Gewässerbetts zu verstehen, das entweder aus Quellen stammt oder sich als Niederschlags- oder Schmelzwasser auf dem Boden sammelt und dem Geländeniveau folgend abfließt.

Zum wild abfließenden Wasser in diesem Sinne ist auch Hochwasser zu rechnen, das sein Gewässerbett verlässt und sich über andere Grundstücke ergießt.[1]

 
Wichtig

Natürlicher Wasserkreislauf

Entscheidend ist in jedem Fall, dass es sich um Oberflächenwasser handelt, das tatsächlich wild aus einer Quelle abfließt oder sich zunächst einmal natürlich ansammelt, um dann aufgrund des Gefälles abzufließen. Deshalb wird Wasser, das nicht zum natürlichen Wasserkreislauf zählt, wie etwa das aus geborstenen Leitungen austretende Wasser, ebenso wenig von § 37 WHG erfasst, wie Niederschlagswasser, das von bebauten oder befestigten Flächen gesammelt abfließt. Denn Letzteres ist gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 WHG Abwasser, für das die besonderen Regelungen der §§ 54 bis 61 WHG gelten.[2]

[1] BayObLG, Urteil v. 5.12.1989, 2 Z 189/89, NVwZ-RR 1990 S. 284.

1.2.2 Veränderungen des Wasserabflusses

Die Regelung in § 37 Abs. 1 WHG geht von der naturgesetzlichen Gegebenheit aus, dass Wasser den natürlichen Geländeverhältnissen folgend bergab fließt. Ober- wie Unterlieger haben dies grundsätzlich hinzunehmen.[1] Deshalb beinhaltet diese Vorschrift in den Sätzen 1 und 2 nur eine Verbotsregelung, nicht dagegen ein Gebot etwa für den Oberlieger zu abflussverändernden Maßnahmen zum Schutz des Unterliegers bzw. ein Verbietungsrecht des Unterliegers gegenüber dem Ablauf des wild abfließenden Wassers.[2]

Verboten sind vielmehr für alle Beteiligten allein künstliche Veränderungen des natürlichen Ablaufs wild abfließenden Wassers zum Nachteil des jeweils anderen.

1.2.2.1 Veränderungsverbot zum Schutz des Oberliegers

Gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 WHG darf der natürliche Ablauf des wild abfließenden Wassers auf ein tiefer liegendes Grundstück nicht zum Nachteil des höher liegenden Grundstücks behindert werden. Dies betrifft hauptsächlich den Auf- oder Rückstau des Wassers mittels abflusshemmender Maßnahmen oder Vorkehrungen, wie etwa Aufschüttungen, Wälle, Dämme oder Mauern, die den Wasserabfluss verlangsamen oder sogar einen Rückstau des Wassers auf dem höher liegenden Grundstück verursachen.[1]

[1] BGH, Beschluss v. 29.6.2006, III ZR 269/05, NVwZ-RR 2006 S. 578; LG Freiburg, Urteil v. 29.9.1992, 1 O 142/92, NVwZ-RR 1993 S. 197.

1.2.2.2 Veränderungsverbot zum Schutz des Unterliegers

Dem Schutz des Unterliegers dient § 37 Abs. 1 Satz 2 WHG, wonach der Ablauf wild abfließenden Wassers nicht zum Nachteil des tiefer liegenden Grundstücks verstärkt oder auf andere Weise verändert werden darf. Das betrifft alle Maßnahmen des Oberliegers, mit denen der natürliche Wasserablauf künstlich verändert wird. Den natürlichen Abfluss des Wassers haben die Eigentümer der tiefer liegenden Grundstücke demgegenüber hinzunehmen.[1]

1.2.3 Veränderungen des Wasserabflusses als Folge einer veränderten wirtschaftlichen Grundstücksnutzung

In erster Linie betrifft § 37 Abs. 1 WHG zielgerichtete Maßnahmen, mit denen der Ablauf wild abfließenden Wassers zum Nachteil des Grundstücksnachbarn verändert wird.

Für die Praxis bedeutsamer sind aber bloß mittelbare Veränderungen des Wasserabflusses als Folge einer Änderung der wirtschaftlichen Nutzung von Grundstücken. Was das betrifft, so war nach früherem Recht in den Landes-Wassergesetzen von Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein aus...

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