Dr. Alexander Becker, Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht verpflichtet, jede steuerrechtlich zulässige Steuerklassenwahl bei der Berechnung einer sich nach dem Nettoentgelt zu bemessenden Leistung zu berücksichtigen. Er kann dem Arbeitnehmer den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenhalten. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach den Grunsätzen von Treu und Glauben.
Sachverhalt
Die Klägerin arbeitete mit der Hälfte der Arbeitszeit in der Vergütungsgruppe VI b BAT nach der Lohnsteuerklasse V; ihr Ehemann war als Regierungsdirektor mit der Lohnsteuerklasse III beschäftigt. Mit Wirkung vom 1.1.2002 wählten beide die Lohnsteuerklasse IV. Im Januar 2002 beantragte die Klägerin Altersteilzeit im Blockmodell und schloss mit dem Arbeitgeber auf der Grundlage des Tarifvertrags zur Regelung der Altersteilzeit (TV ATZ) einen Änderungsvertrag. Der Arbeitgeber berechnete den Aufstockungsbetrag weiterhin nach der Lohnsteuerklasse V. Die Klägerin machte geltend, der Aufstockungsbetrag sei nach der Lohnsteuerklasse IV zu bemessen mit der Folge eines um 110 EUR höheren Auszahlungsbetrags.
Das BAG entscheidet, dass der Arbeitgeber bei der Berechnung des Aufstockungsbetrags von der Lohnsteuerklasse IV auszugehen muss, weil die Steuerklassenwahl nicht rechtsmissbräuchlich erfolgt ist. Rechtsmissbrauch könne nur angenommen werden, wenn die Rechtsausübung des Arbeitnehmers der Verfolgung rücksichtslosen Eigennutzes zum Nachteil des Arbeitgebers diene und für die Änderung der Steuerklasse kein sachlicher Grund bestehe.
Ohne Antrag auf eine andere Steuerklasse sei auf den Lohnsteuerkarten beider Ehegatten die Steuerklasse IV einzutragen. Die Ehegatten würden wie Alleinstehende behandelt und die Vorteile der Splittingabelle wirkten sich erst bei der Veranlagung zur Einkommensteuer aus. Für den Arbeitgeber bestehe Anlass zur Prüfung einer Steuerklassenwahl nur, wenn ein Arbeitnehmer abweichend von der regelmäßig für alle Arbeitnehmer geltenden Lohnsteuerklasse IV die Lohnsteuerklasse III oder V wähle. Ein Wechsel von der Lohnsteuerklasse V in die Lohnsteuerkklasse IV steigere zwar bei der Berechnung des Aufstockungsbetrags die vom Nettogehalt abhängigen Arbeitgeberleistungen. Dem gegenüber zu stellen sei die Entscheidung des Arbeitnehmers, wenigstens über ein seinem Bruttoeinkommen entsprechendes anteiliges Entgelt zu verfügen, auch wenn dies (zunächst) steuerlich nicht optimal sei. Der Arbeitnehmer habe das Recht, sich bei der Wahl der Lohnsteuerklasse für den ihn günstigeren Grund- und Regeltatbestand zu entscheiden.
Hinweis
Dem Abeitgeber steht es frei, für die Bemessung von nettolohnbezogenen Leistungen die Steuerklasse, nach der sich die Forderung des Arbeitnehmers berechnet, vertraglich festzulegen. Ebenso können Tarifvertragsparteien vereinbaren, dass die zu einem bestimmten Stichtag auf der Lohnsteuerkarte eingetragene Lohnsteuerklasse für die gesamte Bezugsdauer der nettobezogenen Leistung maßgeblich sein soll.
Link zur Entscheidung
BAG, Urteil v. 13. 6.2006, 9 AZR 423/05.