Leitsatz
In der Insolvenz eines Wohnungseigentümers hat die WEG für bestimmte rückständige Hausgeldforderungen ein Recht auf abgesonderte Befriedigung aus der Wohnung. Dann kann sie die Wohnung versteigern lassen.
Sachverhalt
Eine WEG klagt gegen den Insolvenzverwalter eines Wohnungseigentümers auf Duldung der Zwangsversteigerung zweier Wohnungen dieses Eigentümers. Die WEG hat gegen den Wohnungseigentümer für die Wirtschaftsjahre 2006 und 2007 fällige Hausgeldansprüche von 9.100 EUR. Einen Titel hierüber hat sie nicht. Am 27.12.2007 wurde über das Vermögen des Eigentümers das Insolvenzverfahren eröffnet. Wegen der Hausgeldrückstände möchte die WEG in die Wohnungen des Schuldners vollstrecken und verklagt den Insolvenzverwalter auf Duldung der Zwangsversteigerung der Wohnungen.
Der BGH entschied: Die WEG kann vom Insolvenzverwalter Duldung der Zwangsversteigerung verlangen, soweit es sich bei den rückständigen Hausgeldern um einfache Insolvenzforderungen handelt, die vom Vorrang des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVGumfasst sind. Ob eine Hausgeldforderung eine einfache Insolvenzforderung oder eine Masseverbindlichkeit ist, hängt davon ab, ob sie vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig geworden ist.
Hausgeldforderungen, die vor Insolvenzeröffnung fällig geworden sind, sind einfache Insolvenzforderungen. Diese sind grundsätzlich nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren zu verfolgen (Anmeldung zur Insolvenztabelle mit hohem Ausfallrisiko). Das Gesetz gewährt Hausgeldforderungen in bestimmtem Umfang aber ein Vorrecht gegenüber Forderungen anderer Gläubiger (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG).
Das Vorrecht umfasst laufende und rückständige Beiträge aus dem Jahr der Beschlagnahme und den letzten 2 Jahren, höchstens aber 5 % des Verkehrswerts der Wohnung. Wegen solcher bevorrechtigter Hausgeldansprüche hat die WEG ein Recht auf abgesonderte Befriedigung aus dem Grundstück/der betreffenden Wohnung gem. § 49 InsO (= Absonderungsrecht). Dieses kann sie durchsetzen, ohne dass die Beschlagnahme des Wohnungseigentums vor Insolvenzeröffnung erforderlich ist. Ist noch keine Beschlagnahme erfolgt, ist die Insolvenzeröffnung der Anknüpfungspunkt, um das Vorrecht in der Insolvenz zu berechnen.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann die WEG aufgrund des Absonderungsrechts die bevorrechtigten Hausgeldforderungen in einem schon laufenden Zwangsversteigerungsverfahren anmelden, ohne dass sie hierfür einen Zahlungstitel braucht. Alternativ kann sie selbst die Zwangsversteigerung der Wohnung einleiten oder der Zwangsversteigerung eines anderen Gläubigers beitreten. Dies kann sie unabhängig davon tun, ob sie gegen den insolventen Eigentümer zuvor einen Zahlungstitel wegen der rückständigen Hausgelder erstritten hat.
Will die WEG selbst die Zwangsversteigerung beantragen, muss ihre Forderung aber den Wert von 3 % des Einheitswerts der Wohnung übersteigen. Sofern die WEG vor Insolvenzeröffnung keinen Zahlungstitel gegen den insolventen Eigentümer erlangt hat, kann sie den Insolvenzverwalter auf Duldung der Zwangsvollstreckung in Anspruch nehmen, um so an den Titel zu gelangen, den sie benötigt, um die Zwangsversteigerung einzuleiten.
Hausgeldansprüche, die nach Insolvenzeröffnung fällig werden, z.B. die Abrechnungsspitze, wenn sie nach Insolvenzeröffnung beschlossen wurde; laufende Hausgelder, sind hingegen Masseschulden. Wegen diesen kann die WEG den Insolvenzverwalter auf Zahlung verklagen und in die Insolvenzmasse vollstrecken. Ein Absonderungsrecht, auf dessen Grundlage die WEG Duldung der Zwangsversteigerung verlangen könnte, besteht hier nicht.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 21.7.2011, IX ZR 120/10.