Leitsatz
Bezahlt ein Wohnungseigentümer öffentliche Abgaben, die von allen Eigentümern als Gesamtschuldner zu tragen sind, kann er von der Wohnungseigentumsgemeinschaft (WEG) Erstattung verlangen.
Sachverhalt
Eine Wohnungseigentümerin verlangt von der WEG die Erstattung von Kosten. Der örtliche Abwasser- und Wasserzweckverband hatte die Eigentümerin mit 2 Bescheiden für die 1-malige Herstellung der öffentlichen Wasser- und Abwasseranlage des gesamten Grundstücks der Wohnungseigentümer in Anspruch genommen. Der Zweckverband verlangte rund 42.000 EUR.
Die Wohnungseigentümerin legte gegen die Bescheide Widerspruch ein. Die Widersprüche wurden unter Hinweis auf die gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer zurückgewiesen. Daraufhin zahlte die Wohnungseigentümerin den verlangten Betrag, ohne sich zuvor mit der WEG abzustimmen.
Die Eigentümerin verlangt von der Wohnungseigentümergemeinschaft die Erstattung des an den Zweckverband gezahlten Betrages, abzüglich des auf ihren Miteigentumsanteil entfallenden Anteils.
Das LG war der Meinung, die Eigentümerin könne ihren Anspruch nicht gegen die WEG richten. Vielmehr müsse sie sich an die anderen Eigentümer als Teilschuldner halten.
Der BGH widerspricht dem LG. Die WEG kann zur Erstattung verpflichtet sein. Sie muss im Innenverhältnis öffentliche Abgaben, die Wohnungseigentümer in ihrer Eigenschaft als Miteigentümer des gemeinschaftlichen Grundstücks tragen, erfüllen.
Hier waren alle Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner beitragspflichtig. Das ergibt sich aus dem Kommunalabgabengesetz des Landes Brandenburg sowie örtlichen Satzungen. Die Gesamtschuld besteht ungeachtet der von § 10 Abs. 8 WEG angeordneten quotalen Außenhaftung der Wohnungseigentümer für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft. Diese Haftungsbegrenzung greift nämlich nicht ein, wenn – wie hier – im Landesrecht eine Gesamtschuld der Wohnungseigentümer in ihrer Eigenschaft als Miteigentümer des Grundstücks gesetzlich vorgesehen ist.
Bei der Abgabenschuld handelt es sich um eine gemeinschaftsbezogene Forderung. Eine solche muss die Gemeinschaft so behandeln, als wäre sie ausschließlich gegen sie selbst gerichtet. Sie hat die Forderung zu begleichen, soweit diese berechtigt ist, oder, wenn sie Zweifel an deren Rechtmäßigkeit hat, im Zusammenwirken mit dem in Anspruch genommenen Wohnungseigentümer Maßnahmen zu ergreifen, um die Forderung abzuwehren und eine Vollstreckung gegen den Wohnungseigentümer aus dem Bescheid zu verhindern. Mit dieser Verpflichtung der WEG geht ein entsprechender Freistellungsanspruch des Wohnungseigentümers einher, der vom Gläubiger in Anspruch genommen wird.
Wenn der vom Gläubiger als Gesamtschuldner in Anspruch genommene Wohnungseigentümer die Abgabenforderung aus eigenen Mitteln erfüllt hat, steht ihm gegen die Gemeinschaft ein Erstattungsanspruch zu. Ein solcher Anspruch besteht grundsätzlich auch dann, wenn der Wohnungseigentümer – wie hier – die Forderung aus dem Leistungsbescheid begleicht, ohne dies mit der Gemeinschaft zuvor abzustimmen. Zum einen hat der Wohnungseigentümer ein Interesse, Vollstreckungsmaßnahmen gegen sich zu vermeiden, zum anderen kann er vom Gläubiger keinen Zahlungsaufschub bis zu einer Willensbildung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft verlangen.
Der Gemeinschaft ist es allerdings nicht verwehrt, gegenüber einem Wohnungseigentümer, der die Forderung des Abgabengläubigers ohne vorherige Absprache beglichen hat, Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des Leistungsbescheids zu erheben. Das berechtigt die WEG aber nicht zu einer Zahlungsverweigerung, wenn der Wohnungseigentümer – z.B. durch einen Widerspruch gegen den Abgabenbescheid – der Gemeinschaft die Möglichkeit offen gehalten hat, die Rechtmäßigkeit des Bescheides überprüfen zu lassen. Die WEG steht dann nicht anders, als wäre sie rechtzeitig mit der Sache befasst worden. Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides hätten sie nicht davon entbunden, gegenüber dem Wohnungseigentümer ihre aus § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG folgende Wahrnehmungspflicht zu erfüllen; angesichts der Vollstreckbarkeit des Bescheids hätte dies grundsätzlich eine (ggf. vorläufige) Forderungsbegleichung erfordert.
Da noch weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich sind, hat der BGH den Rechtsstreit an das LG zurückverwiesen.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 14.2.2014, V ZR 100/13.