Leitsatz
Verwirft das Berufungsgericht die Berufung durch Urteil als unzulässig, ohne den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt mitzuteilen, führt die Nichtzulassungsbeschwerde ohne Weiteres zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung.
Normenkette
§ 522 Abs. 1 ZPO
Das Problem
Wohnungseigentümer W erhebt eine Anfechtungsklage. Das AG weist diese teilweise zurück. Das Landgericht (LG) verwirft die dagegen gerichtete Berufung durch Urteil als unzulässig. Die erforderliche Beschwer von 600 EUR sei nicht erreicht. Dagegen wendet sich die W mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
Die Entscheidung
Mit Erfolg! Die Nichtzulassungsbeschwerde sei ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands statthaft. Da das LG die Berufung als unzulässig verworfen habe, sei § 62 Abs. 2 WEG nicht anwendbar (Hinweis auf BGH v. 19.7.2012, V ZR 255/11, NJW 2012 S. 3310 Rn. 6).
§ 62 WEG (Übergangsvorschrift)
...
(2) In Wohnungseigentumssachen nach § 43 Nr. 1 bis 4 finden die Bestimmungen über die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 543 Abs. 1 Nr. 2, § 544 der ZPO) keine Anwendung, soweit die anzufechtende Entscheidung vor dem 31.12.2015 verkündet worden ist.
Die Nichtzulassungsbeschwerde führe zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LG Karlsruhe. Die Entscheidung des LG's enthalte weder einen Tatbestand noch nehme sie auf die angefochtene Entscheidung Bezug; auch W's Anträge seien nicht wiedergegeben. Welche Beschlüsse aus welcher Versammlung W mit welchen Argumenten angegriffen habe, lasse sich dem Urteil nur bruchstückhaft entnehmen.
- Die Zurückverweisung gebe dem LG Karlsruhe die Gelegenheit, sich mit W's Beschwer erneut zu befassen. Dabei werde es zu beachten haben, dass sich die Beschwer bei der Abweisung einer gegen den Wirtschaftsplan gerichteten Anfechtungsklage – sofern sich diese nicht auf konkrete Teile des Plans beschränkt – in aller Regel nach dem Anteil des Klägers bemisst, und zwar auch dann, wenn dieser formale Fehler der Abrechnung bemängelt (Hinweis auf BGH v. 15.5.2012, V ZB 282/11, ZWE 2012 S. 336). W's Anteil ergebe sich im Zweifel aus den in dem Einzelwirtschaftsplan ausgewiesenen jährlichen Hausgeldzahlungen. Im Hinblick auf die danach möglicherweise zu treffende Sachentscheidung weise der Senat auf sein Urteil vom 7.6.2013, V ZR 211/12, NJW-RR 2013 S. 1234, hin.
Kommentar
- Das Berufungsgericht kann die Berufung entweder durch Urteil oder durch Beschluss als unzulässig verwerfen (§ 522 Abs. 1 Satz 3 ZPO); in letzterem Fall steht dem Berufungskläger die Rechtsbeschwerde gem. § 544 ZPO offen (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO), während gegen ein Urteil die Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 544 ZPO statthaft ist, sofern das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen hat.
- Ergeht die Entscheidung durch Beschluss und gibt dieser den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt nicht wieder, begründet dies einen Verfahrensmangel, den das Rechtsbeschwerdegericht auf die Rechtsbeschwerde hin von Amts wegen zu berücksichtigen hat und der ohne Weiteres die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung nach sich zieht. Das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gestaltet sich im Grundsatz anders. Weil § 544 ZPO nicht auf § 559 ZPO Bezug nimmt, ist das Beschwerdevorbringen auch in tatsächlicher Hinsicht Grundlage der Entscheidung über die Zulassung. Fehlt in einem angefochtenen Urteil die Darstellung des Sachverhalts, hat der Beschwerdeführer den Sachverhalt mitzuteilen und anhand dessen die Zulassungsgründe darzulegen. Allein das Fehlen tatbestandlicher Darstellungen stellt keinen Grund für die Zulassung der Revision dar, obwohl dieser Fehler im Revisionsverfahren von Amts wegen die Aufhebung und Zurückverweisung zur Folge hat. Danach müsste W eigentlich einen über die fehlenden tatbestandlichen Feststellungen hinausgehenden Zulassungsgrund gemäß § 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO darlegen. Der Rechtsschutz gegen eine die Berufung verwerfende Entscheidung darf aber nicht von der Verfahrensweise des Gerichts und der jeweiligen Entscheidungsform abhängen. Daher muss das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde insoweit dem Rechtsbeschwerdeverfahren angeglichen werden; dieses Ergebnis ist zu erzielen, indem in dieser Fallkonstellation in entsprechender Anwendung von § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO verfahren wird.
Was ist für den Verwalter wichtig?
WEG-Verfahren sind hochkomplex. Ist der Verwalter kein Volljurist, sollte er die Führung dieser Verfahren in der Regel dem Fachmann überlassen. Hierbei muss der Verwalter aber darauf achten, dass er ausreichend ermächtigt ist, namens der Wohnungseigentümer (§ 27 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 WEG) oder/und namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (§ 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 7 WEG), einen Rechtsanwalt – gegebenenfalls auch zur Durchführung von Widerspruchs-, Rechtsmittel- oder einem Beweissicherungsverfahren oder den einstweiligen Rechtsschutz – zu beauftragen.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss v. 18.9.2014, V ZR 290/13