Alexander A. Ließem, Serge Beck
[Ohne Titel]
[1] In der vorliegenden 5. Auflage wurde der Länderbericht von Dr. Rembert Süß aktualisiert.
A. Grundsätzliches
I. Erbeintritt
Rz. 1
Unter dem Vererben bzw. dem Erbeintritt wird in der Rechtsordnung der Republik Belarus der Übergang von Rechten und Pflichten des Verstorbenen auf andere Personen (Erben) verstanden, der grundsätzlich im Wege der Universalsukzession vollzogen wird, Art. 1031 Abs. 1, 1033 Abs. 1 Zivilgesetzbuch der Republik Belarus (ZGB RB).
II. Rechtsquellen des belarussischen Erbrechts
Rz. 2
Art. 44 der belarussischen Verfassung garantiert den gesetzlichen Schutz des Eigentums sowie die Testierfreiheit. Die Hauptrechtsquellen des materiellen Erbrechts in Belarus sind hauptsächlich Art. 1031–1092 ZGB RB. Darüber hinaus werden einzelne wichtigen Fragen im Zivilprozessbuch der Republik Belarus (ZPB RB) und dem Bodengesetz der Republik Belarus geregelt. Zudem existieren zwei Beschlüsse des Plenums des Obersten Gerichts der Republik Belarus, Beschl. v. 21.12.2001 Nr. 16 und v. 20.12.2007 Nr. 17, die die Rechtsprechung und Rechtsanwendung in einigen wesentlichen erbrechtlichen Fragen vereinheitlichen.
III. Erbfolgenwahl und Erbfähigkeit
Rz. 3
In Belarus ist sowohl die gesetzliche als auch die gewillkürte Erbfolge möglich, Art. 1032 Abs. 1, 1040 ff., 1056 ff. ZGB BY. Dabei genießt die gewillkürte Erbfolge Vorrang, Art. 1032 Abs. 2 ZGB BY.
Rz. 4
Erbfähig sind alle natürlichen Personen inklusive des noch zu Lebzeiten des Erblassers gezeugten nasciturus und juristischen Personen des Privatrechts sowie Gebietskörperschaften der Republik Belarus, Art. 1037 ZGB RB.
IV. Vererbbare und nicht vererbbare Positionen
Rz. 5
Gemäß Art. 1033 Abs. 1 ZGB RB gehen sämtliche zum Zeitpunkt des Todes existierenden Rechte und Pflichten des Erblassers auf den Erben über, sofern diese nicht durch den Tod erlöschen. Gemäß Art. 1033 Abs. 2 ZGB RB sind Schadensersatzansprüche aus Gesundheitsschädigung bzw. Körper- oder Lebensverletzung, Unterhaltsansprüche und Rentenansprüche nicht vererbbar. Darüber hinaus können persönliche Rechte nichtvermögensrechtlicher Art, wie z.B. das Namensrecht, jedenfalls auch der nicht kommerzialisierte Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, nicht vererbt werden.
Rz. 6
Ausdrückliche gesetzliche Regelungen finden sich auch in Art. 102 Abs. 1 des Gesetzes über Wirtschaftsgesellschaften für den Fall, dass der Erblasser Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (obshestvo s ogranitchenoi otvestvennostju) und in Art. 73 Abs. 11 des Gesetzes über Wirtschaftsgesellschaften, wenn er Aktionär einer geschlossenen Aktiengesellschaft (zakritnaya aktsionernaya obshestvo) war. Der Gesellschaftsanteil bzw. die Aktien werden nach allgemeinen Regeln vererbt, soweit in der Satzung der jeweiligen Gesellschaft hierfür kein Zustimmungserfordernis vorgesehen ist. Im Falle der geschlossenen Aktiengesellschaft muss die Gesellschaft, bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung muss der andere/müssen die übrigen Gesellschafter zustimmen, vgl. Art. 73 Abs. 11, 102 Abs. 1 des Gesetzes über Wirtschaftsgesellschaften.
V. Eingeschränkte Vererbbarkeit von Grundstücken
Rz. 7
Eine vor allem aus der Perspektive des kontinentalen Rechts ungewöhnliche Regelung besteht in Bezug auf die eingeschränkte Erwerbsmöglichkeit und Vererbbarkeit von auf dem Gebiet der Republik Belarus belegenen Eigentumsgrundstücken. Grundsätzlich können ausländische Rechtssubjekte kein Eigentum an einem Grundstück erwerben. Ausnahmsweise kann der Eigentumserwerb an einem Grundstück im Wege des Erbeintritts eines mit dem Erblasser verwandten ausländischen Staatsbürgers erfolgen, Art. 12 Abs. 4 Bodengesetz der Republik Belarus. Dabei stellt die Verwandtschaft des ausländischen Erben mit dem Erblasser eine Grundvoraussetzung für den einzig möglichen Eigentumserwerb durch eine ausländische natürliche Person im Wege des Erbeintritts dar.
Rz. 8
Die Übertragung von Eigentum an in Belarus belegenen Grundstücken an ausländische juristische Personen oder an nichtverwandte ausländische Staatsbürger durch den Erblasser von Todes wegen ist also nicht möglich.
B. Rechtsanwendung im internationalen Erbrecht
I. Belegenheitsrecht für Immobilien
Rz. 9
Zwischen der Republik Belarus und der Bundesrepublik Deutschland gilt Art. 28 Abs. 3 des Konsularvertrages mit der UdSSR vom 25.4.1958 aufgrund der Zustimmung zur Fortgeltung der deutsch-sowjetischen Verträge zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Belarus fort. Danach findet das Recht der belegenen Sache in Bezug auf unbewegliches Vermögen Anwendung. Allerdings ist das Abkommen mit Wirkung zum 18.5.2020 durch Kündigung außer Kraft getreten.
Für die in Belarus belegenen Grundstücke gilt das belarussische Erbrecht als lex rei sitae gem. Art. 1134 ZGB RB.
II. Wohnsitzrecht für sonstiges Vermögen
Rz. 10
Betreffend das sonstige Vermögen erklärt das belarussische internationale Privatrecht das Personalstatut in Form des ständigen Wohnsitzes für grundsätzlich einschlägig, Art. 1133 ZGB. Dabei ist Wohnsitz in Art. 19 ZBG als ein Ort definiert, an dem der Bürger dauerhaft oder vorwiegend ansässig ist.
III. Rechtswahl betreffend sonstiges Vermögen
Rz. 11
Besitzt der Erblasser die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates als des Staates, ...