Alexander A. Ließem, Serge Beck
1. Testierfreiheit
Rz. 23
Die Testierfreiheit im belarussischen Recht ist als Teil der Eigentumsgarantie in Art. 44 der belarussischen Verfassung verankert und speziell in Art. 1041 ZGB BY relativ großzügig geregelt. Die Testierfreiheit ermöglicht dem Erblasser gewillkürt, also ohne Rücksicht auf seine nächste Verwandtschaft, zu bestimmen, an wen sein Vermögen fallen soll. Der Erblasser kann einen oder alle gesetzlichen Erben sowie durch einen gesonderten Hinweis auch deren Abkömmlinge nach dem Repräsentanzprinzip ohne jedwede Begründung enterben bzw. von der Erbfolge ausschließen, Erben und gem. Art. 1042 ZGB RB Ersatzerben einsetzen, gem. Art. 1054 ZGB RB Vermächtnisse und gem. Art. 1055 ZGB RB Auflagen sowie gem. Art. 1053 ZGB RB Testamentsvollstreckung anordnen.
Rz. 24
Diese Freiheit wird hauptsächlich durch das überschaubare Pflichtteilsrecht gem. Art. 1041 Abs. 5 Var. 1 i.V.m. Art. 1064 ZGB RB eingeschränkt (dazu näher Rdn 34 f.). Dabei erfährt die Testierfreiheit geringere Einschränkungen durch das Pflichtteilsrecht, als dies etwa in der deutschen Rechtsordnung gem. §§ 2303 ff. BGB der Fall ist. Darüber hinaus sind trotz der grundsätzlichen Testierfreiheit solche Auflagen unzulässig, die testamentarisch eingesetzte Erben zu bestimmten Verfügungen von Todes wegen in Bezug auf das vererbte Vermögen verpflichten, Art. 1041 Abs. 5 Var. 2 ZGB RB. Schließlich schränkt noch Art. 1041 Abs. 5 Var. 3 ZGB RB die Testierfreiheit dadurch ein, dass solche Klauseln für unzulässig erklärt werden, die dem testamentarisch eingesetzten Erben zwecks Erbeintritts unrechtmäßige oder aus objektiven Gründen unmögliche bzw. nicht erfüllbare Handlungen abverlangen.
2. Testierfähigkeit
Rz. 25
Im Unterschied zur Rechtslage in Deutschland (§ 2229 Abs. 1 BGB) oder in Österreich (§ 569 ABGB) lässt das belarussische Recht Testierfähigkeit Minderjähriger nicht, auch nicht ausnahmsweise, zu. Insofern entspricht Art. 1040 Abs. 2 ZGB RB dem Art. 467 Schweizer ZGB dahingehend, als nur unbeschränkt geschäftsfähige Personen testierfähig sind.
3. Form
Rz. 26
Der Erblasser kann ein Testament durch eine von ihm geschriebene, eigenhändig unterschriebene und notariell beglaubigte Erklärung errichten, Art. 1044 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 ZGB RB. Auch kann ein öffentliches Testament vor einem Zeugen zur Niederschrift bei einem Notar errichtet werden, Art. 1045 Abs. 1 S. 1 ZGB RB.
Rz. 27
Eine weitere Möglichkeit der Hinterlegung eines geheimen Testaments sieht Art. 1046 ZGB RB vor. Demnach ist ein vom Erblasser eigenhändig verfasstes und unterschriebenes Testament dem Notar im Beisein von Zeugen in einem von den Zeugen zu unterschreibenden Briefumschlag zu übergeben.
Rz. 28
Des Weiteren können unter den Voraussetzungen des Art. 1047 ZGB RB Nottestamente errichtet werden.
Rz. 29
Schließlich kann der Erblasser über sein Bankguthaben gem. Art. 1048 ZGB RB direkt bei seiner kontoführenden Bank von Todes wegen verfügen. Ein solches Bankguthabenvermächtnis ist gem. Art. 1048 Abs. 2 ZGB RB durch eine vom Erblasser geschriebene und eigenhändig unterschriebene und sodann von einem Bankmitarbeiter beglaubigte Erklärung zu errichten und wirkt in Bezug auf das vermachte Vermögen wie ein notarielles Testament, Art. 1048 Abs. 1 S. 2 ZGB RB.
Rz. 30
Den Notar oder eine andere beglaubigende Person sowie die Zeugen der Testamentserrichtung trifft kraft Gesetzes eine Verschwiegenheitspflicht über sämtliche Umstände betreffend Inhalt, Errichtung, ggf. späteren Widerruf oder Änderung des Testaments, § 1050 ZGB RB.
Rz. 31
Da ein Testament ausschließlich Verfügungen einer Person beinhalten kann, sind gemeinschaftliche Testamente bzw. Erbverträge gem. Art. 1040 Abs. 4 S. 2 ZGB RB unwirksam.
Rz. 32
Die Wirksamkeit des Testaments bestimmt sich zum Zeitpunkt seiner Errichtung, Art. 1040 Abs. 5 ZGB RB.
4. Änderung und Widerruf
Rz. 33
Da ein Testament vor dem Erbfall keine Rechte oder Pflichten der eingesetzten Personen begründen kann, kann der Erblasser das Testament jederzeit vollständig oder teilweise im Wege der Vernichtung aller Exemplare, Änderung durch wirksame Neuerrichtung oder notariell beurkundete Unwirksamkeitserklärung widerrufen, Art. 1049 Abs. 1 ZGB RB.
Zwar entspricht die Regelung des Art. 1049 Abs. 2 ZGB RB dem § 2258 Abs. 1 BGB und besagt somit, dass durch die Errichtung eines Testaments ein früheres Testament insoweit aufgehoben wird, als das spätere Testament mit dem früheren in Widerspruch steht. Indes ordnet Art. 1049 Abs. 3 ZGB RB trotz des identischen Tatbestandes mit § 2258 Abs. 2 BGB die gegenteilige Rechtsfolge an: Wird das spätere Testament widerrufen, lebt in der belarussischen Rechtsordnung das frühere Testament gerade nicht insofern wieder auf, als wenn es nicht aufgehoben worden wäre, sondern es bleibt unwirksam.