1 Leitsatz
Eine öffentliche Wiedergabe nach § 15 Abs. 3 UrhG und damit eine Kabelweitersendung nach § 20b Abs. 1 UrhG liegen vor, wenn über Satellit ausgestrahlte Programmsignale über eine zentrale Satelliten-Kopfstation empfangen werden und diese sodann über das Hausverteilnetz an die angeschlossenen Wohnungen weitergeleitet werden, sofern die Wohnungen in "substanziellem Umfang" an wechselnde Feriengäste vermietet werden.
2 Normenkette
UrhG §§ 15 Abs. 3, 20b Abs. 1
Sacherhalt
Die Verwertungsgesellschaft K und die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer B in einer Wohnungseigentumsanlage (eine Ferienanlage im Harz) mit 1.161 Wohnungseigentumsrechten streiten darüber, ob B der K aus einem im Jahr 2013 geschlossenen, von B aber aus wichtigem Grund gekündigten Lizenzvertrag pro Jahr 1.490,72 EUR schuldet (pro Wohnung 1,20 EUR zzgl. Umsatzsteuer).
Entscheidung
Das Oberlandesgericht (OLG) bejaht die Frage. Denn B habe den Lizenzvertrag nicht kündigen können. Bei dem Betrieb der Kabelanlage durch B handele es sich um eine "öffentliche Wiedergabe" i. S. v. § 15 Abs. 3 UrhG. Dies gelte auch im Lichte der Entscheidung des BGH, Urteil v. 17.9.2015, I ZR 228/14 ("Ramses"). Denn der BGH sei von einem nur begrenzten Personenkreis ausgegangen. Ferner habe die im BGH-Fall klagende Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nur die Wohnungseigentümer ihrer Wohnungseigentumsanlage versorgt. Im Fall gebe es hingegen einen großen Personenkreis. Selbst wenn sich in jeder Wohnung lediglich 2 Personen aufhalten würden, führe dies zu über 2.300 potenziellen Adressaten. Daneben sei dem Umstand Rechnung zu tragen, dass mögliche Empfänger nicht nur alle Bewohner des Gebäudes seien, sondern auch der unbestimmte Kreis ihrer wechselnden Gäste. Der entscheidende Unterschied liege jedoch darin, dass es sich im Fall um wenigstens 220 Ferienwohnungen handele. Außerdem werde auch die benachbarte Wohnungseigentumsanlage vom Signal versorgt.
Hinweis
Der BGH hatte in seiner "Ramses-Entscheidung" (BGH, Urteil v. 17.9.2015, I ZR 228/14, GRUR 2016 S. 71) für eine Münchener Wohnungseigentumsanlage geklärt, dass es sich um keine öffentliche Wiedergabe handelt – und also um keinen Sachverhalt, für das die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ein Entgelt zahlen muss –, wenn über eine Gemeinschaftsantenne empfangene Signale zeitgleich, unverändert und vollständig an die Wohnungseigentümer der entsprechenden Wohnungseigentumsanlage (343 Wohnungseigentumsrechte) weitergeleitet werden. Das OLG meint im Fall, sich aus 3 Gründen von dieser Entscheidung abgrenzen zu können:
- die Anzahl der Wohnungseigentümer,
- die Tatsache, dass es Mieter gibt und
- die Signalweiterleitung an eine andere Wohnungseigentumsanlage.
Die ersten beiden Gründe könnten unbeachtlich sein. Anders ist es wohl mit der Signalweiterleitung an eine andere Wohnungseigentumsanlage – wenn damit ein "Erwerbszweck" verbunden ist (siehe auch BGH, Urteil v. 18.6.2015, I ZR 14/14, NJW 2016 S. 2273 – Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen). Für den Verwalter ist diese unsichere Rechtslage wenigstens "unglücklich" zu nennen. Besteht ein Vertrag mit einer Verwertungsgesellschaft, sollte der Verwalter die Wohnungseigentümer, wenn nicht bereits geschehen, jedenfalls darauf aufmerksam machen, dass der Vertrag gegebenenfalls gekündigt werden kann. Ob dem so ist, muss allerdings ein Rechtsanwalt prüfen.
3 Link zur Entscheidung
OLG Braunschweig, Urteil v. 17.4.2019, 2 U 56/18