Praxis-Beispiel

Beseitigung einer baulichen Veränderung

Hat ein Wohnungseigentümer eine ungenehmigte bauliche Veränderung durchgeführt, kann nach derzeit noch geltender Rechtslage ein jeder Wohnungseigentümer den Beseitigungsanspruch unmittelbar allein gegen den Wohnungseigentümer geltend machen, der die bauliche Veränderung vorgenommen hat. Zwar kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer diesen Individualanspruch durch entsprechende Beschlussfassung nach § 10 Abs. 6 Satz 3 HS 2 WEG a. F. an sich ziehen und als Prozessstandschafterin ausüben. Dies ändert aber nichts daran, dass jeder Wohnungseigentümer zunächst einmal selbst ermächtigt ist, diesen Anspruch alleine geltend zu machen.

Künftig wird die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer alleinige Anspruchsinhaberin sein. Konkret bedarf es also nicht mehr eines entsprechenden Vergemeinschaftungsbeschlusses. Einer Beschlussfassung der Wohnungseigentümer bedarf es lediglich insoweit, den Rückbauanspruch durchzusetzen. Möchte sich also ein einzelner Wohnungseigentümer gegen eine ungenehmigte bauliche Veränderung zur Wehr setzen, muss er einen entsprechenden Beschlussantrag initiieren. Würde der Antrag von den übrigen Wohnungseigentümern mehrheitlich abgelehnt, müsste der Wohnungseigentümer zunächst eine Beschlussersetzungsklage erheben und sodann eine Beschlussausführungsklage anschließen. Diese Klage muss er gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erheben und somit indirekt gegen sich selbst.

Alte Rechtslage

Nach derzeit noch geltender Rechtslage ist die Aktivlegitimation des einzelnen Wohnungseigentümers beispielsweise dann gegeben, wenn ein anderer Wohnungseigentümer im Bereich seines Balkons eine Parabolantenne errichtet oder im Bereich des Gemeinschaftseigentums Pflanztröge aufstellt. Auf Beseitigung dieser Gegenstände kann der einzelne Wohnungseigentümer den anderen in Anspruch nehmen. Hat der Wohnungseigentümer mehrere Dübellöcher in der gemeinschaftlichen Fassade zur Befestigung der Parabolantenne gebohrt, kann der einzelne Wohnungseigentümer auch die Herstellung des ursprünglichen Zustands, also eine Fassadenreparatur begehren. Dieser Anspruch steht nicht allein der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als "geborene" Ausübungskompetenz zu, nur weil es sich insoweit um einen Schadensersatzanspruch handelt. Der Anspruch auf Beseitigung einer baulichen Veränderung umfasst vom Grundsatz her nämlich auch die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands.

Zwar besteht insoweit Anspruchskonkurrenz zwischen dem einzelnen Wohnungseigentümer und der Eigentümergemeinschaft, die durch Beschlussfassung den dem Wohnungseigentümer zustehenden Individualanspruch nach § 10 Abs. 6 Satz 3 HS 2 WEG a. F. an sich ziehen kann. So aber die Gemeinschaft den Individualanspruch des einzelnen Wohnungseigentümers nicht an sich zieht, verbleibt es bei der Aktivlegitimation des Wohnungseigentümers.[1]

Zieht die Eigentümergemeinschaft den dem einzelnen Wohnungseigentümer zustehenden Individualanspruch zur Ausübung an sich, ist der Wohnungseigentümer nicht mehr berechtigt, seinen Individualanspruch geltend zu machen. Die Anspruchsverfolgung muss dann durch die Gemeinschaft erfolgen. In Ausnahmefällen kann ein Vergemeinschaftungsbeschluss aber auch als rechtsmissbräuchlich und deshalb als nichtig anzusehen sein. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn

  • ein einzelner Wohnungseigentümer seinen Individualanspruch bereits gerichtlich geltend macht,
  • eine Rechtsverfolgung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht beabsichtigt ist und
  • die Beschlussfassung allein dazu dient, den laufenden Individualprozess zu beenden.[2]

Neue Rechtslage

Dieses System wird es nicht mehr geben. Nicht nur die Ausübung des Anspruchs auf Beseitigung einer baulichen Veränderung, sondern der Anspruch selbst wird der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zustehen. Gerade in dem Fall, dass die Gemeinschaft der Eigentümer nicht tätig werden will, kann der Weg für den einzelnen Wohnungseigentümer steinig werden, der die Beseitigung begehrt:

  • Zunächst muss er einen entsprechenden Antrag beim Verwalter zur Beschlussfassung in der nächsten Wohnungseigentümerversammlung stellen.
  • Kommt ein Mehrheitsbeschluss nicht zustande, muss der Wohnungseigentümer Beschlussersetzungsklage und sodann eine Beschlussausführungsklage gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erheben.

Auch wenn dieser Weg für den Wohnungseigentümer von Erfolg gekrönt sein würde, besteht freilich immer noch die Möglichkeit, dass die beklagte Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in Berufung geht. Dies ist freilich Risiko eines jeden Klägers. Das WEMoG erschwert jedenfalls dem einzelnen Wohnungseigentümer, Ansprüche bezüglich des Gemeinschaftseigentums durchzusetzen.

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