Leitsatz

Werden in einen Test verschiedener Lohnsteuerhilfevereine nur einzelne Beratungsstellen einbezogen, so ist die Werbung eines am Test beteiligten Vereins, die den Eindruck erweckt, die vergebene Testnote beziehe sich auf seine gesamte Organisation, irreführend, wenn dem Test nur eine auf die jeweils getesteten Beratungsstellen beschränkte Aussagekraft zukommt.

 

Sachverhalt

Die "Lohnsteuerhilfe Bayern e.V." warb in Annoncen und Stellenanzeigen mit dem Urteil "GUT" der Stiftung Warentest. Dem lag eine Untersuchung aus dem Jahr 2001 zugrunde, bei der die Stiftung von ausgewählten Beratungsstellen von neun überregional tätigen Lohnsteuerhilfevereinen Erklärungen hatte erstellen lassen. Ein konkurrierender Lohnsteuerhilfeverein wollte diese Werbung als irreführend verbieten lassen. Der BGH gab ihm – wie bereits die Vorinstanz – Recht.

 

Entscheidung

Die beanstandeten Maßnahmen stellen irreführende vergleichende Werbung dar und sind deshalb unlauter[1]. Dabei erfüllt die Werbung die Voraussetzungen einer Wettbewerbshandlung i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Denn sie hat den Zweck, die Erbringung der Dienstleistungen an Mitglieder, z.B. die Erstellung von Einkommensteuererklärungen, zu fördern. Auch Stellenanzeigen dienen der Förderung des Absatzes der Dienstleistungen des Beklagten, weil mit dem Hinweis auf das Testergebnis auch für die Güte der von dem Beklagten erbrachten Dienstleistungen geworben wird[2].

Die Frage, ob Werbung irreführend ist, bestimmt sich danach, wie der Adressatenkreis die beanstandete Werbung versteht. Vorliegend werden sowohl potentielle Vereinsmitglieder wie auch Stelleninteressenten angesprochen. In Bezug auf beide Gruppen ist die Werbeaussage irreführend. Denn ihr ist ein Schluss auf die Qualität des gesamten Angebots des Beklagten zu entnehmen, obwohl dem Testbericht keine auf die gesamte Organisation bezogene, sondern wegen der Beschränkung der Untersuchung auf einige wenige Beratungsstellen nur eine begrenzte Aussagekraft zugemessen werden kann.

Die getesteten Lohnsteuerhilfevereine unterhalten zwischen 42 und 2000 Beratungsstellen. Pro Verein wurden aber nur fünf bis acht Beratungsstellen in den Test einbezogen. Geprüft wurden die Steuerberatung sowie Service und Beratung. Bei der Steuerberatung wurde zunächst eine steuerliche Vorprüfung anhand gezielter Fragen, anschließend die inhaltliche Bearbeitung einer Steuererklärung verlangt. Bei "Service und Beratung" wurden Leistungsaspekte wie die Erläuterung der Tätigkeitsbereiche, Aushändigung und Hinweis auf die Satzung, Informationen zu Kosten und zur Mitgliedschaft, zur Steuererklärung, Besprechen der Erklärung, Vereinbarungen und Handhabung bezüglich des Bescheids bewertet. Dazu kam die subjektive Beurteilung der Beratungsgespräche durch die Testpersonen. Die Ergebnisse fielen bei einzelnen Beratungsstellen desselben Vereins vielfach sehr unterschiedlich aus. Die Beratungstätigkeit wird demzufolge nicht aufgrund einheitlicher Standards und Kriterien erbracht. Sie hängt in hohem Maße von der persönlichen Qualifikation und der Einsatzbereitschaft des jeweils vor Ort tätigen Beraters ab. Aus diesem Grund lässt sich mit der gewählten Untersuchungsmethode weder eine "durchschnittliche" Qualität des Dienstleistungsangebots ableiten, noch kann aus den Ergebnissen für einzelne geprüfte Beratungsstellen auf ein solches Gesamtergebnis geschlossen werden.

Diese besonderen Umstände werden in der Werbung mit dem Testergebnis nicht angegeben. Diese erweckt vielmehr unerlaubterweise den Eindruck, der Test sei anhand von Kriterien vorgenommen worden, die einen zuverlässigen Schluss auf die Qualität des Angebots des gesamten Vereins zulassen.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 07.07.2005, I ZR 253/02BGH-Urteil vom 7.7.2005, I ZR 253/02

[1] Vgl. §§ 3, 5 Abs. 2 und 3, § 6 UWG; §§ 2, 3 Satz 1 und 2 UWG a.F.

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