Leitsatz

Art. 12 Abs. 1 GG schützt auch die berufliche Außendarstellung einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme von Diensten der Angehörigen freier Berufe. Sachgerechte, nicht irreführende Informationen im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr sind stets zulässig.

 

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist seit einiger Zeit als Anwältin mit dem Interessengebiet Sportrecht tätig. In ihrer Kanzleibroschüre warb sie in einem Faltblatt mit Angaben zu ihrer sportlichen Karriere. So wies sie auf zehn Jahre Hochleistungssport in der rhythmischen Sportgymnastik, ihre frühere Mitgliedschaft in der Nationalmannschaft der DDR und die Tatsache hin, dass sie mehrfach DDR-Meisterin gewordenwar und internationale Wettkämpfe gewonnen hatte. Auf Antrag eines Konkurrenten wurden ihr derartige Werbeaussagen verboten. Das zuständige OLG sah hierin Verstöße gegen § 43b BRAO i.V.m. § 6 BORA sowie gegen die §§ 1, 3 UWG. Das BVerfG hat diese Entscheidung jetzt aufgrund einer Verfassungsbeschwerde der Anwältin aufgehoben.

 

Entscheidung

Die angegriffene Entscheidung wird nach Meinung des BVerfG dem Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG nicht gerecht, soweit sie der Beschwerdeführerin die Werbung mit Sporterfolgen verbietet. Die Annahme, bei den Angaben der Beschwerdeführerin handele es sich um den Wettbewerb verzerrende Informationen ohne beruflichen Bezug, verkennt die Bedeutung der verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit. Zwar schränken § 43b BRAO und § 6 BORA diese zulässigerweise ein. Diese Normen bezwecken, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zu sichern. Mit der Stellung eines Rechtsanwalts ist im Interesse des rechtsuchenden Bürgers unter anderem eine Werbung nicht vereinbar, die ein reklamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stellt und mit der eigentlichen Leistung des Anwalts und dem unabdingbaren Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Mandats nichts mehr zu tun hat.

Bei dem monierten Faltblatt der Beschwerdeführerin handelt es sich aber um – prinzipiell zulässige – Imagewerbung, die geeignet ist, ihr Bild in der Öffentlichkeit zu beeinflussen. Sportler als Werbeträger gehören zum alltäglichen Erscheinungsbild. Sie werden in vielen Bereichen als Leistungs- und Sympathieträger eingesetzt. Sofern eine freiberuflich Tätige selbst sportliche Erfolge aufzuweisen hat, kommt es lediglich auf ihren Bekanntheitsgrad an, ob sich der Zusammenhang mit dem Namen unmittelbar oder erst nach einem entsprechenden Hinweis einstellt. Wahrheitsgemäße Selbstdarstellungen dieser Art enthalten jedenfalls Informationen, die für sich genommen weder irreführend sind noch ein sensationelles Sich-Heraus-Stellen zum Gegenstand haben.

Die Freiheit der Berufsausübung umfasst auch das Recht, die Öffentlichkeit über erworbene Qualifikationen wahrheitsgemäß und in angemessener Form zu informieren. Spezifische berufsbezogene Gemeinwohlgründe, die das Verbot, eine sportliche Qualifikation kundzutun, rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar. Für die Entscheidung potentieller Mandanten, ob und gegebenenfalls welchen Anwalt sie beauftragen, kann es auf der Grundlage vernünftiger und sachbezogener Erwägungen gerade eine Rolle spielen, welche außerrechtlichen Kenntnisse und Erfahrungen der jeweilige Rechtsberater erworben hat. Dies gilt vor allem dann, wenn hiervon ein spezielles Rechtsgebiet, z. B. das Sportrecht, betroffen ist. Konkrete Anhaltspunkte für eine Verunsicherung der rechtsuchenden Bevölkerung oder für einen Vertrauensschwund infolge der außerrechtlichen Betätigung sind in diesem Zusammenhang nicht zu erkennen.

 

Praxishinweis

Die Anwältin hatte in dem Faltblatt darüber hinaus ihre Erstberatungskosten nach Streitwerten oder Stundenhonoraren aufgeführt und mit einer Fußnote versehen, aus der der Betrag des gesetzlichen Gebührenhöchstwerts für eine Erstberatung erkennbar wurde. Die im Faltblatt ausgedruckten Erstberatungskosten lagen unter dem in der Anmerkung angeführten Gebührenbetrag. Diese Passage hatte das OLG gleichermaßen verboten, was das BVerfG akzeptierte. Ein derartiger Vergleich begründe für den "Durchschnittsbürger" durchaus die Gefahr einer Irreführung. Der unbefangene Leser könne bei flüchtiger Lektüre des Faltblatts irrtümlich davon ausgehen, die Beschwerdeführerin sei in allen rechtlichen Angelegenheiten preiswerter als mögliche Konkurrenten.

 

Link zur Entscheidung

BVerfG, Beschluss vom 04.08.2003, 1 BvR 2108/02

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