Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 10 WEG, § 43 Abs. 1 WEG
Kommentar
In einer für die Praxis sehr wichtigen Grundsatzentscheidung hat das BayObLG die faktische/werdende Gemeinschaft (Gemeinschaft der werdenden Eigentümer/Fremdeigentumsanwärter zumindest mit eigenen Antragsrechten nach § 43 WEG) in Bestätigung der bisher h. R. M. anerkannt und weiter ausgeführt, dass deren Rechtsstellung als werdende Eigentümer auch bestehen bleibt nach rechtlicher Entstehung/Invollzugsetzung der Gemeinschaft (d. h. Eintragung von mind. 2 Eigentümern im Grundbuch); demgegenüber bleibt es bei der BGH-Rechtsprechung zur Negierung des werdenden Eigentümers in der Sondernachfolge, sodass
a) Käufer von einem schon im Grundbuch eingetragenen Eigentümer in bereits entstandener Eigentümergemeinschaft oder
b) Käufer von ursprünglich werdenden Eigentümern oder auch
c) Erstkäufer vom ursprünglichen Bauträger (Alleineigentümer)
nach Entstehung der Gemeinschaft jeweils Rechte und Pflichten als Eigentümer erst mit ihrer Eintragung im Grundbuch erhalten.
In den Leitsätzen hat deshalb das BayObLG zusammenfassend herausgestellt:
1. Eine Wohnungseigentümergemeinschaft ist rechtlich in Vollzug gesetzt, wenn die Wohnungsgrundbücher angelegt und mind. 2 Wohnungseigentümer eingetragen sind.
2. Das Mitglied einer vor rechtlicher Invollzugsetzung bestehenden werdenden Eigentümergemeinschaft, dessen Übereignungsanspruch durch eine Vormerkung gesichert ist und auf den Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahr übergegangen sind, hat in entsprechender Anwendung des § 43 Abs. 1 WEG ein Antragsrecht, das ihm auch dann erhalten bleibt, wenn die Gemeinschaft dadurch rechtlich in Vollzug gesetzt wird, dass mind. 2 andere Wohnungseigentümer im Wohnungsgrundbuch eingetragen werden.
3. Wer nach rechtlicher Invollzugsetzung einer Wohnungseigentümergemeinschaft Rechtsnachfolger eines Mitglieds der bisherigen werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft oder eines eingetragenen Wohnungseigentümers wird, hat vor seiner Eintragung im Grundbuch auch dann kein eigenes Antragsrecht im Sinne des § 43 Abs. 1 WEG, wenn sein Übereignungsanspruch durch eine Vormerkung gesichert ist und Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahr auf ihn übergegangen sind.
Link zur Entscheidung
BayObLG, Beschluss vom 11.04.1990, BReg 2 Z 7/90( BayObLG, Beschluss v. 11. 4. 1990, Az.: BReg 2 Z 7/90= BayObLG Z 1990 Nr. 24 = NJW 50/90, 3216 mit Anm. Coester, S. 3184)
zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung
Anmerkung:
1. Die früher vorherrschende Rechtsmeinung, dass auch der sog. werdende (faktische) Wohnungseigentümer, der seinen Eigentumsverschaffungsanspruch durch Auflassungsvormerkung im Grundbuch gesichert hat und auf den Besitz, Lasten, Nutzen und Gefahr übergegangen sind, ein eigenes Stimmrecht und ein eigenes gerichtliches Antragsrecht besitzt, aber auch der Gemeinschaft gegenüber für fällige Wohngelder haftet, hat der BGH mit seinen Entscheidungen vom 1. 12. 1988 (NJW 1989, 1087) und vom 18. 5. 1989 (NJW 1989, 2697) bezüglich seines Stimmrechts bzw. seiner Wohngeldschuldnerschaft bei Vorliegen einer rechtlich in Vollzug gesetzten Wohnungseigentümergemeinschaft außer Kraft gesetzt. Eigentümer mit Stimmrecht, gerichtlichem Antragsrecht und Wohngeldhaftung ist in einer Gemeinschaft nur derjenige, der auch im Grundbuch als solcher eingetragen ist. Der BGH ließ bisher ausdrücklich offen, ob diese Grundsätze auch bei einer noch nicht rechtlich in Vollzug gesetzten Wohnungseigentümergemeinschaft gelten (zur diesseits insoweit erwarteten Konsequenz, vom BayObLG jedoch hiermit anders entschieden, vgl. Deckert, WE 89, 34).
2. Das BayObLG zieht nunmehr als erstes Rechtsbeschwerdegericht die Konsequenzen aus der BGH-Rechtsprechung und grenzt sehr genau den Bereich der werdenden/faktischen Gemeinschaft (bei Bauträgerteilung nach § 8 WEG) ab von der rechtlich in Vollzug gesetzten Gemeinschaft und diese wiederum von sog. werdenden Eigentümern in der Sondernachfolge (vom BGH nicht mehr anerkannt).
Im konkret entschiedenen Fall hatten Ersterwerber vom Bauträger, deren Eigentumsverschaffungsanspruch durch Auflassungsvormerkung im Grundbuch gesichert war und auf die Besitz, Nutzen, Lasten und Gefahr übergegangen waren, einige Versammlungsbeschlüsse angefochten; zum Zeitpunkt der Beschlussfassung und auch der Anfechtung über gerichtlichen Antrag war der Bauträger (als Verkäufer und vormaliger Alleineigentümer) bei einigen Wohnungen noch als Eigentümer im Grundbuch eingetragen; ebenso war anderes Eigentum bereits auf mehrere Ersterwerber im Grundbuch umgeschrieben. Das Landgericht (LG) hatte das Beschlussanfechtungsrecht der Antragsteller generell bejaht, die materiell-rechtlichen (inhaltlichen) Beanstandungen jedoch als unbegründet zurückgewiesen.
Das BayObLG hob die Entscheidung des LG auf und verwies die Angelegenheit zu weiteren Ermittlungen und erneuter Entscheidung an das Erstbeschwerdegericht zurück. Es teilt nicht die Auffassung des LG, dass - da vom BGH ausdrücklich offengelassen - jeder Ersterwerber vom Bauträger bei Vorliegen von Auflassungsvorme...