Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Fehlerhafte Wertung eines Abstimmungsergebnisses durch den Versammlungsleiter ("Beschluss" statt Nichtbeschluss!)
Wertungs-Feststellung des Versammlungsleiters grundsätzlich ohne rechtliche Bedeutung!
Umdeutung eines Beschlussanfechtungsantrags in einen Feststellungsantrag (auf Nichtzustandekommen eines Beschlusses)
Normenkette
§ 23 Abs. 1 und Abs. 4 WEG, § 24 Abs. 6 WEG, § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG
Kommentar
1. Wird ein Antrag in der Eigentümerversammlung laut Protokoll mit Stimmenmehrheit eines Eigentümers (majorisierend) abgelehnt und erklärt daraufhin der Versammlungsleiter, die Stimmen des Eigentümers würden wegen Missbrauchs der Stimmenmehrheit nicht mitgezählt und der Beschlussantrag sei somit angenommen, so kommt dieser Feststellung keine rechtliche Bedeutung zu. Es fehlt dann ein Eigentümerbeschluss, der mit dem Antrag auf Ungültigerklärung angefochten werden müsste oder könnte. Insoweit ist primär von Antragsablehnung auszugehen im Sinne eines Nichtbeschlusses. Weder ein Verwalter als Versammlungsleiter noch das Gericht sind befugt, einen Nichtbeschluss durch einen positiven Beschluss mit einem antragstellerseits erwünschten Inhalt zu ersetzen (h.M.). Dafür besteht auch kein Bedürfnis; scheitert eine Beschlussfassung an ablehnender Haltung eines beherrschenden Eigentümers, so kann jeder andere überstimmte Eigentümer gem. § 21 Abs. 4 WEG das Gericht anrufen, mit dem Verpflichtungsantrag, einer für erforderlich gehaltenen Verwaltungsmaßnahme (etwa auch der Erhebung einer Sonderumlage) zuzustimmen, unter Umständen diese auch selbst zu verfügen (auch mit der Möglichkeit des Erlasses einer einstweiligen Anordnung).
Die vereinzelt vertretene Meinung vorläufiger Verbindlichkeit fehlerhafter Feststellung eines Versammlungsleiters (OLG Hamm; Bärmann/Merle; Staudinger/Wenzel) könnte allenfalls dann gelten, wenn sich gegen die Feststellung kein Widerspruch erhoben haben sollte und alle in der Versammlung anwesenden oder vertretenen Eigentümer von der Richtigkeit dieser Feststellung ausgegangen sein sollten. Ansonsten kommt nach Meinung verfestigter Rechtsprechung des Senats der Feststellung eines Versammlungsleiters in der Niederschrift, dass ein Antrag abgelehnt oder angenommen worden sei, grundsätzlich keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Dies gilt hier umso mehr, als die Feststellung, die Beschlussanträge seien angenommen, in Widerspruch zu den gleichfalls festgestellten Abstimmungsergebnissen steht. Außerdem fehlt dem Versammlungsleiter die Befugnis, eine rechtsmissbräuchliche Ausübung des Stimmrechts festzustellen.
2. Ein Anfechtungsantrag kann aber als auf die Feststellung gerichtet ausgelegt (umgedeutet) werden, dass ein Eigentümerbeschluss mit einem bestimmten, in der Versammlungsniederschrift protokollierten Inhalt nicht zustande gekommen ist.
3. Es bleibt weiterhin offen, ob ein solcher Antrag innerhalb der Monatsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG gestellt werden muss (vorliegend war der Antrag innerhalb eines Monats nach der Versammlung bei Gericht eingegangen).
4. Auch außergerichtliche Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren bei Geschäftswert dieser Instanz von DM 145.000.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 25.05.1999, 2Z BR 25/99= BayObLG Z 1999 Nr. 35)
zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung